Essen. Eishockey-Bundestrainer Sturm verabschiedet sich beim Deutschland-Cup. Sonntag geht es nach LA. Es gibt Kandidaten für die Nachfolge.

Am Freitagmittag noch hatte Bundestrainer Marco Sturm anderes im Sinn als Kalifornien. Der Deutschland-Cup in Krefeld, der am Donnerstag (19 Uhr/Sport1) mit der Partie gegen Olympiasieger Russland startet, bestimmte Sturms Gedanken im Interview mit dieser Zeitung. Und doch war der 40-jährige Landshuter, dem der Deutsche Eishockey-Bund unter anderem die olympische Silbermedaille von Pyeongchang zu verdanken hat, unbemerkt seinem Traum bereits ganz nah. Dem Traum, nach 1006 Einsätzen als Spieler in die National Hockey League (NHL) zurückzukehren. „Los Angeles ist klasse, ich freue mich drauf“, erklärte Sturm, nachdem ihn die LA Kings am Sonntagabend zum neuen Co-Trainer ausgerufen hatten.

Der unerwartete Wechsel besitzt eine sportliche Pointe. Der neue Cheftrainer des Tabellenletzten der Western Conference ist Willie Desjardins. Der 61-Jährige betreute die kanadische Olympia-Auswahl beim Turnier in Pyeongchang – und verlor im Halbfinale gegen Marco Sturms Adler-Träger.

Sturm hatte seine Erfolgsformel gefunden

Das hatte Eindruck hinterlassen. Selbst in der NHL, das für Südkorea mangels Interesse keine Profis abgestellt hatte. Es wäre allerdings zu kurz gedacht, Sturms Verdienste in den vergangenen drei Jahren auf die Silbermedaille zu reduzieren.

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Der Niederbayer hatte stets einen guten Draht zu allen deutschen Nationalspielern in Nordamerika, besaß dort eine große Akzeptanz. Die Stimmung innerhalb der Nationalmannschaft war stets gut. Darauf legte Sturm immer wert – bei aller Sachlichkeit. Laut wurde es in der Kabine nur selten. Das war eine Erfolgsformel.

Sonntag nach dem finalen Match beim Deutschland-Cup in Krefeld geht es von Düsseldorf aus direkt nach Los Angeles. Die NHL-Saison läuft, es gibt viel zu tun bei den Kings, die nur viermal in 13 Spielen gewonnen haben. Sturms Familie bleibt mindestens bis Weihnachten noch in Altfraunhofen bei Landshut, kommt dann nach und freut sich auf die Pazifiksonne.

Bis zur WM im Mai bleibt dem DEB noch Zeit

Wie es nun beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB) weitergeht? Verbandschef Franz Reindl verweist, durchaus zurecht, auf die Tatsache, dass es bis zur nächsten WM in der Slowakei Mitte Mai noch genügend Zeit verbleibt. Gute Kandidaten, die für eine Sturm-Nachfolge in Frage kämen, sind derzeit schließlich allesamt bei potenten Klubs unter Vertrag. Ließe man Ex-NHL-Profis mit ähnlicher Vita wie Marco Sturm, beispielsweise der Moerser Christian Ehrhoff oder der Mannheimer Jochen Hecht, mal außen vor.

Der frühere Bundestrainer Uwe Krupp (53) etwa, ein guter Freund von Verbandschef Reindl, arbeitet nach seiner Zeit bei den Eisbären Berlin nun in der tschechischen Liga für Sparta Prag. Der Abschied vor sechs Jahren als Bundestrainer war zwar von internen Unstimmigkeiten geprägt. Die damals Beteiligten sind aber nicht mehr in Amt und Würden.

Düsseldorf-Trainer Kreis und Gross sind Kandidaten

Krupps ehemaliger Co-Trainer Harold Kreis (59) könnte ebenso ein Kandidat sein. Der aktuelle Cheftrainer der Düsseldorfer EG galt mit seinem taktischen Fachwissen stets als der heimliche Bundestrainer. Der 180-malige Nationalspieler ist bei der DEG noch bis 2020 unter Vertrag. „Wenn das Telefon klingelt, würde ich aber auch rangehen“, erklärte Kreis im Gespräch mit dieser Redaktion.

Ähnlich sieht es bei Pavel Gross aus. Der 50-jährige Tscheche genießt nach zehn erfolgreichen Saisons bei den Grizzlys Wolfsburg einen exzellenten Ruf in der DEL. Gross arbeitet allerdings bei den Mannheimer Adlern und dürfte damit einen der am besten dotierten Trainerverträge in der Liga besitzen. Ob die Adler ihren Cheftrainer nach nur einer Saison aus dem Vertrag lassen würden, ist fraglich.

Kruger ist Vorstandschef in der Premier League

Das Amt des Bundestrainers wäre für den eigentlichen Topkandidaten auf die Sturm-Nachfolge vor allem eine Frage des Wollens. Ex-Nationalspieler Ralph Krueger (59) hat die Schweizer Auswahl zwischen 1998 und 2010 bei drei Olympiaden und zwölf Weltmeisterschaften mit großem Erfolg betreut, war danach der bisher einzige deutsche Cheftrainer in der NHL: in der Saison 2012/13 bei den Edmonton Oilers.

Seit 2014 ist Krueger der Vorstandschef beim FC Southampton in der Premier League. Honorar spielt für den früheren Duisburger und Düsseldorfer Eishockey-Bundesliga-Angreifer längst keine Rolle mehr. Eine Chance für den DEB könnte darin bestehen, dass die Schweizer Unternehmerin Katharina Liebherr, die Krueger an die englische Südküste gelotst hatte, ihre Klubanteile vor einigen Monaten in chinesische Hände gelegt hat. Und Krueger genau deshalb über eine neue Herausforderung in seiner Lieblingssportart nachdenken könnte. Marco Sturm stünde Krueger sicher ins Nichts nach.