Austin. Lewis Hamilton kann in den USA mit dem Argentinier gleichziehen. Alonso hat dieses Talent früh erkannt: Auch sieben Titel möglich.

Zwei Männer, von denen jeder zum fünften Mal Formel-1-Weltmeister werden kann (der eine zumindest theoretisch noch), zwei Blickwinkel. Beide blicken nach oben. Lewis Hamilton steht am New Yorker Times Square, auf der berühmten Videowand sieht er überlebensgroß sein eigenes Konterfei, er freut sich wie ein kleines Kind darüber. Sebastian Vettel steht im Fahrerlager des Circuit of the Americas, sieht nur den bleigrauen Himmel über Texas, und gibt sich fatalistisch – egal, ob es vor dem Großen Preis der USA am Sonntag (20.10 Uhr/RTL) um seine minimalen Titel-Chancen geht oder die Tropfen, die auf seine Stirn klatschen, „Platsch“. Das Vorgeplänkel zur möglichen WM-Entscheidung illustriert wunderbar den Stand dieser Grand-Prix-Saison: Hier der strahlende Mercedes-Pilot, dort der Ferrari-Angestellte, der von seinem Rennstall im Regen stehen gelassen wird.

Hundert Punkte sind maximal noch zu vergeben, vor dem viertletzten Rennen der Saison führt Hamilton mit 331:264 Punkten, holt er am Sonntag acht Zähler mehr als der Heppenheimer, hat er die Fangio-Liga erreicht. Der Argentinier holte fünf Titel.

Nur eine Mini-Chance für Vettel

Im Vorjahr lag Vettel 59 Punkte zurück, da reichte es in Texas noch nicht zum vorzeitigen Titelgewinn, dafür die Woche drauf in Mexiko. Vettel spricht schon in der Vergangenheitsform, wenn er seine Chancen analysieren soll: „Uns hat letztendlich der Speed gefehlt.“ Selbst wenn er alle vier Rennen gewinnen sollte, dürfte es unter normalen Umständen nicht mehr zum Triumph reichen.

Lewis Hamilton hat seinen Anorak an, obwohl er im Trockenen auf dem Podium vor der Weltpresse sitzt. Besonders gesprächig ist der Brite vor dem 18. WM-Lauf nicht, als einzig glitzerndes gilt es ein silbernes Kreuz zu vermerken, das von seinem linken Ohrläppchen baumelt. Er wirkt zunächst sogar noch ein bisschen aufgeräumter als sein deutscher Gegenspieler. Bei Hamiltons Worten färbt Mercedes-Teamchef Toto Wolff durch, der wohl abergläubischste Mensch im Fahrerlager: „Es fühlt sich wie irgendein Rennwochenende an, wir wollen gewinnen, das ist ein simples Ziel für uns. Wir machen nichts anderes, und wir denken an nichts anderes. Niemand sagt, wie cool es wäre, wenn es schon jetzt klappen würde. Denn das würde nichts anderes bedeuten, als noch mehr unter Druck zu geraten.“

Für so langweilig ist die Kultfigur der Formel 1 für gewöhnlich nicht, nach einem etwas längeren Warm-up geht es dann auch schon wieder. Endlich wird über Größe geredet. Fernando Alonso, der trotz eines Überschusses an Talent nur zwei WM-Titel geholt hat, und zum Saisonende die Königsklasse verlässt, ist geschickt neben Hamilton platziert worden. Die beiden hatten sich in Hamiltons Debütjahr 2007 bei McLaren fast im Wortsinn bekriegt, heute sagt der Spanier: „Man konnte vom ersten Tag an sein Talent erkennen. Und nach dem ersten Titel war allen klar, dass daraus einmal fünf oder sieben werden könnten.“

Alonso: Er hat es verdient

„Es ist eine großartige Leistung, wenn Lewis jetzt mit Fangios fünf Titel gleichzieht. Wenn das einem aus unserer Generation gebührt, dann ihm. Denn er hat nicht nur Rennen mit überlegenen Autos gewonnen, sondern auch gesiegt, als das Auto nicht gut genug war“, sagt Alonso.

Für den 33-jährigen Briten selbst verbietet sich der direkte Vergleich mit der Fangio-Ära, es sei viel, viel gefährlicher gewesen damals, und außerdem hätte er als Farbiger in den Fünfziger Jahren wohl kaum die Möglichkeit gehabt, Rennen zu fahren: „Deshalb bin ich ganz froh in der heutigen Ära der Formel 1 zu fahren. Fangio war immer der Pate für uns Rennfahrer, und er wird immer bewundert werden.“ So wie Hamilton jetzt von Alonso.