Sotschi. Sebastian Vettel hat die WM nicht mehr in seinen Händen. Widersacher Lewis Hamilton zieht mit dem Sieg in Sotschi weiter davon.
Die große Frage beim Großen Preis von Russland wurde schon nach der ersten der 53 Runden beantwortet: Valtteri Bottas kann gewinnen, auch wenn neben ihm in der ersten Reihe der WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton steht. Aber er darf nicht gewinnen, weil Sebastian Vettel dem britischen Formel-1-Tabellenführer dann zu nahe kommt.
Bottas musste in Sotschi die Führung abgeben an Hamilton, der so zum Sieg fuhr. Der Brite hat nach seinem achten Saisonerfolg bei nur noch fünf Rennen 50 Punkte Vorsprung auf Vettel, der seinen Ferrari als Dritter hinter Bottas ins Ziel brachte. Aus eigener Kraft kann der Deutsche jetzt schon nicht mehr zum fünften Mal Weltmeister werden.
Mercedes macht in der Mannschaftsdisziplin derzeit alles richtig
Es war ein geschenkter Sieg für Hamilton, aber kein unverdienter. Auch wenn es umstritten ist, macht Mercedes in der Mannschaftsdisziplin Formel 1 derzeit alles richtig. „Das ist natürlich schwierig für Valtteri, er hat einen fantastischen Job gemacht und den Sieg verdient gehabt. Aber wir kämpfen nun mal um den Titel. Und er ist ein echter Gentleman“, sagte der erleichterte Sieger Hamilton. Vettel spach über Funk von einem „soliden Rennen“, und dass man es weiter versuchen werde. Aber er wusste auch: „Es ist nicht das Resultat, das wir wollten.“ Zur Teamorder, die bei den Silbernen besser klappt als bei den Roten, sagte Vettel nur: „Ja, es war zu sehen, dass die bei Mercedes gut zusammenarbeiten.“
Von Beginn an hatten die Mercedes-Piloten Vettel in Zusammenarbeit auf Abstand gehalten. Der Deutsche erwischte auf Startplatz drei den besseren Start als der von Rang zwei gestartete Hamilton und zog sogar leicht am Engländer vorbei. Mit Hilfe des Windschattens von Pole-Setter Bottas gelang es Hamilton aber, Vettels frühen Angriff zu parieren.
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Der Heppenheimer setzte immer wieder zu Attacken an und ging teilweise ans Limit. Hamilton beschwerte sich über die harte Gangart von Vettel, auch die Sportkommissare untersuchten zwischenzeitlich, ob dieser wirklich zweimal die Linie gewechselt hatte – aber es gab einen Freispruch. „Es war hart, aber fair“, sagte Vettel
In Runde 25 erlosch dann der Traum vom Sieg für Bottas – der Finne, der sich nicht absetzen konnte, folgte einem Funkspruch von der Mercedes-Box: „Du musst Lewis in der 13. Kurve vorbeilassen.“ Das war bitter, aber logisch – und zumindest transparent. Stratege James Vowles erklärte Bottas, warum die Stallorder notwendig war: „Wir mussten auf Nummer sicher gehen. Lewis war unter Bedrängnis von Vettel, an seinen Reifen hatten sich schon Blasen gebildet.“ Der nordische Schutzengel hatte sich schon vor dem Star keine übertriebenen Hoffnungen gemacht: „Von der Pole-Position kannst du als Fahrer kein anderes Ziel haben als gewinnen zu wollen. Aber wir sind auch ein Team. Das muss man immer im Kopf behalten…“ Lakonisch fügte die Nummer zwei hinterher an: „Es ist, wie es ist.“
Hamilton steht vor seinem fünften WM-Titel
Damit hatte Hamilton für die zweite Rennhälfte Bottas auch noch als Puffer gegenüber Vettel. Ganz vorn lag zu diesem Zeitpunkt Max Verstappen (21). Der Niederländer war nach einem Motorwechsel vom 19. Rang aus gestartet, nach ein paar Runden schon Fünfter und dank seiner Reifenstrategie dann nach den Stopps der ersten Vier sogar bis zehn Runden vor Schluss in Führung. Doch dann übernahm Hamilton die Spitze.
„Es ist eine komische Situation“, sagte Hamilton, der trotz des großen Schritts in Richtung fünftem WM-Titel sichtlich frustriert war: „Das Team war der Meinung, dass es das Beste für uns ist.“
Teamchef Toto Wolff sagte bei RTL: „Wir wollten eigentlich, dass der Schnellste gewinnt, und das war heute Valtteri. Wir hatten eine missglückte Strategie.“