New York. Del Potro stand kurz vor dem Karriereende. Am Sonntag (22 Uhr) spielt er nach Nadals Aufgabe sein zweites US-Open-Finale.

Toni Nadal hat seinen Neffen mal als „Weltmeister der Schmerzen“ bezeichnet. Mehr als 20 Jahre lang war der Onkel auch der Trainer des mallorquinischen Tennis-Matadors, er hat miterlebt, wie der 17-malige Grand Slam-Champion mit immer neuen Verletzungen zu kämpfen hatte, oft mehr noch als mit den härtesten Gegnern. „Es gab keinen Tag in Rafas Karriere, an dem Schmerzen kein Thema gewesen wären“, sagte der frühere Coach noch in diesem Sommer, am Rande eines Besuchs bei den French Open.

Nadal hasst es, aufzugeben

Freitagabend, im Arthur Ashe-Stadion zu New York, kam ein neues Kapitel dieser Leidensgeschichte hinzu, eines der bittersten gewiß: Denn nach anderthalb herausragenden US Open-Wochen, mit ebenso dramatischen wie auszehrenden Siegen, streikte Nadals Körper kurz vor der Ziellinie, kurz vor dem möglichen vierten Titel im Big Apple. „Ich hasse es aufzugeben“, sagte Nadal, nachdem er am Ende des zweiten Satzes, beim Spielstand von 6:7 und 2:6 gegen den Argentinier Juan Martin del Potro, ernüchtert das Handtuch geworfen hatte. Noch am Mittwoch hatte Nadal vier Stunden und 49 MInuten gegen den Österreiher Dominic Thiem um den Sieg gerungen, die Partie endete erst um 2 Uhr morgens.

Nun kämpft del Potro, selbst jahrelang von Verletzungen und Blessuren gepeinigt, gegen Novak Djokovic um den New Yorker Titel. Der Serbe spielte sich locker, lässig und leicht beim 6:3, 6:4 und 6:2 gegen Japans Ass Kei Nishikori in sein achtes Finale in New York vor. Er kann nun den sommerlichen Doppelschlag landen, Siege in Wimbledon und bei den US Open. Für del Potro ist es nach der turbulenten Achterbahnfahrt seiner Karriere der zweite Finalvorstoß, vor neun Jahren hatte er sich sensationell zum Tennis-König von New York aufgeschwungen – mit einem finalen Coup gegen Roger Federer.

Danach aber bremste ihn vor allem sein Körper aus, allein vier Handgelenksoperationen hatte der Riese verkraften müssen. „Es fühlt sich unheimlich gut an, wieder bei meinem Lieblingsturnier im Endspiel zu stehen. Es gab Momente, wo ich nicht mehr daran geglaubt habe“, sagte del Potro. Er gilt im Finale als Außenseiter gegen den formstarken „Djoker“, der sein Comeback nach vorübergehendem Absturz und Sinnkrise krönen könnte.

Del Potro weiß, wie es Nadal geht

Wieder einmal war es eine Sehnenentzündung im rechten Knie, die Nadal stoppte und nun auch die Titelverteidigung beim letzten Major-Turnier der Saison 2018 verhinderte. „Es hat keinen Sinn mehr, ein Match fortzusetzen, in dem der eine Spieler ganz normal spielt. Und in dem der andere nur noch herumsteht“, sagte Nadal später. Schon lange vor dem eigentlichen Rückzug hatte Nadal innerlich resigniert, bereits Mitte des zweiten Satzes signalisierte er dem Schiedsrichter die kommende Aufgabe mit den Worten: „Du hast da gerade eine Fehlentscheidung getroffen, aber es ist auch egal. Ich höre sowieso gleich auf.“ Schon bei den Australian Open, zu Saisonbeginn, hatte der 32-jährige ein ähnliches Drama erlebt, damals musste er im fünften Satz seines Viertelfinals gegen den Kroaten Marin Cilic wegen einer Hüftverletzung aufgeben. „Es ist frustrierend, wenn du so aufhören musst. Das steckt man nicht so leicht weg“, sagte Nadal, der nun zum zehnten Mal ein Match nicht bis zum normalen Ende fortsetzen konnte.

Del Potro indes, der Profiteur von Nadals Malaise, konnte wie kein zweiter den Frust des Spaniers nachempfinden: Wegen seiner eigenen Verletzungsprobleme verpaßte er zwischen 2010 und 2017 nicht weniger als die Hälfte aller Grand Slam-Turniere – 14 von 28 Majors. „Es ist wirklich nicht schön, so zu gewinnen“, sagte del Potro, „ich weiß, wie es Rafa jetzt geht.“