München. Das DFB-Team holt in der Nations League ein Remis gegen Weltmeister Frankreich. Die Defensivtaktik geht auf - am Ende ist mehr drin.

So ganz sicher konnte man sich ja nicht sein, wie dieser Abend wohl enden würde. Als Neuanfang war die Nations-League-Partie am Donnerstagabend in München gegen Weltmeister Frankreich ausgerufen worden. Aber einer, bei dem auch die Gefahr bestand, von der Raffinesse des Gegners überrollt zu werden. Für den nach dem frühen WM-Aus in seiner Position geschwächten Bundestrainer Joachim Löw hätte es dann eng werden können. Doch dieser Sorge entledigte sich der deutsche Fußball beim 0:0 gegen den Titelträger. Applaus verabschiedete die Spieler aus der Arena. Mission Wiedergutmachung recht erfolgreich gestartet.

Löw versetzte dem bislang in seinem Ausmaß eher belächelten Neuanfang mit der Aufstellung noch ein beträchtliches Signal. Und zwar jenes, dass es eben nicht genau so weiter geht, wie bisher. Dass sehr wohl signifikante Veränderungen vorgenommen werden, zumindest wenn es nötig erscheint. Dies war gegen den frisch gekürten Weltmeister mit seiner offensiven Brillanz ganz offensichtlich der Fall. Der Bundestrainer stärkte jedenfalls die beim WM-Debakel noch allzu naive Defensive, in dem er eine Viererkette aus Innenverteidigern (Ginter, Boateng, Hummels, Rüdiger) installierte. Vier Ochsen. Vier Schränke.

Kimmich als das überraschendstes Element

Die Renaissance der deutschen Schrankwand bereicherte Löw im Mittelfeld mit einem Dreierensemble, in dem – wir berichteten – Joshua Kimmich das überraschendste Element war. Seine Spielintelligenz und Ballsicherheit sollte dem deutschen Team jene Balance verleihen, die der Bundestrainer als so wichtig für den Neustart erachtet.

Zumindest zunächst konnte Löw ein für ihn recht erfreuliches Fazit ziehen. Jenes nämlich, dass die französischen Stars um Kylian Mbappé, Antoine Griezmann und Olivier Giroud tatsächlich keine einzige Chance herausspielten und – noch viel besser – auch keine sonderlichen Möglichkeiten dazu auftaten, die sie leichtfertig verspielt hätten. Löw hatte versprochen, dass Willen, Feuer und Bereitschaft zu sehen sein würden an diesem Abend. Und er behielt recht. Die deutschen Spieler warfen sich lustvoll in die Zweikämpfe und liefen Lücken zu, die bei der WM noch schmerzvoll klafften.

Werner mit dem ersten Torschuss

Doch deutsche Chancen waren ebenfalls rar. Aber das ist bei dieser Taktik für Spiele, die in erster Linie nicht verloren werden sollen, eingepreist. Timo Werner, der zusammen mit Marco Reus und Thomas Müller ein stets die Positionen tauschendes Offensiv-Trio bildete, gelang nach erstaunlichen 18 Minuten der erste Torschuss für eine der beiden Mannschaften. Doch seinen Versuch parierte Alphonse Areola ohne sonderliche Aufregung.

Die Deutschen hatten mehr Ballbesitz, Frankreich aber dann bis zur Halbzeit doch die besseren Chancen. Torwart Manuel Neuer musste sich in die Torecke werfen, als Giroud wuchtig köpfte (36.). Girouds Hackentrickschuss fehlte es bedrohlich nah am deutschen Tor an der nötigen Präzsion (45.+1).

Frankreich wirkte auch nach der Pause wie die eindrucksvollere Mannschaft. Was nicht nur, aber auch am aufregenden Mbappé lag, der – Hütchenspieler mit Füßen – mit seinem irrwitzigen Tempo immer wieder Räume und damit Gefahr schaffte. Griezmann vergab kam im Strafraum zum Abschluss, aber Neuer hielt (49.). Griezmann schoss von außerhalb des Strrafraums, aber Neuer hielt (64.). Es war die Zeit, in der die schöne Neuanfangs-Stimmung etwas zu kippen drohte.

Pfiffe gegen Gündogan

Die Mannschaft war mit einem riesigen Herzchen-Choreographie auf der Tribüne empfangen worden. Nun wurde Toni Kroos ausgepfiffen, weil er einen möglichen Konter nicht schnell genug ausspielte (55.), Thomas Müller für seinen etwas bemitleidenswerten Distanzschuss mit Raunen bedacht (61.), Ilkay Gündogan bei seiner Einwechslung mit Pfiffen bedacht (65.). So ganz ohne Altlasten ging der Neuanfang also auch nicht vonstatten.

Doch die Begeisterung ließ sich ebenso schnell wieder herbeispielen. Flanke Ginter, Schuss Reus, doch Areola hielt prächtig (64.). Der französische Schlussmann erwies sich nun als scheinbar unüberwindbar. Mats Hummels versuchte sich bei einem Konter (72.), Müllers Flankenschuss senkte sich Richtung lange Ecke (74.) und Ginters Kopfball nach Ecke flog gefährlich aufs Tor (75.) – doch stets war Areola mit seinen Fäusten zur Stelle.