Monza. Ferrari hat die schnelleren Autos, doch Mercedes die Nase vorn. Das Fiasko von Monza wirft Fragen auf, denen sich Vettel stellen muss.

  • Ferrari hat die schnelleren Autos, doch Mercedes die Nase vorn
  • Das Fiasko von Monza wirft Fragen auf, denen sich Vettel stellen muss

Fünf Stunden nach dem Rennen findet Rudolfo immer noch keine Ruhe, auch keine richtigen Worte. Der Koch im Hotel Arrigoni nahe der Rennstrecke von Monza läuft hinter der Küche auf und ab, und empfängt seine deutschen Gäste wild gestikulierend. Als er dazu immer wieder „Ferrari“ und dann wilde Flüche ausstößt, ist klar, dass er die entscheidende Szene beim Großen Preis von Italien meint. Nach dem Sieg von Lewis Hamilton, begünstigt durch den Unfall von Sebastian Vettel stellt sich ganz Italien die Frage: Wirft die Scuderia den möglichen Formel-1-Titel zum wiederholten Mal weg?

„Autogol“ titelt die Gazetta dello Sport als Zusammenfassung des Europaabschiedes der Königsklasse, Eigentor! Was bedeutet schon ein zweiter Platz für Kimi Räikkönen, wenn Vettel mit Glück Vierter wird und Titelverteidiger Hamilton vor dem entscheidenden Drittel der Saison jetzt 30 Punkte Vorsprung hat? Der Brite gewinnt die WM-Läufe, die er eigentlich nicht gewinnen kann, in Monza feiert er den dritten Sieg im vierten Rennen. Obwohl der Ferrari längst das schnellere Auto ist. Aber Vettels Fehler-Serie in diesem Jahr ist beängstigend: Bei den Großen Preisen in Aserbaidschan, in Frankreich, in Deutschland und jetzt in Italien patzt der Heppenheimer – und jedes Mal triumphiert sein Gegenspieler. Eine einfache Hochrechnung, wo er heute stehen könnte.

Aber mit den Kalkulationen hat es die ganze Scuderia nicht so sehr, sonst hätte man im Autodromo Nazionale schon in der Qualifikation Kimi Räikkönen zum Windschattenmann für Sebastian Vettel gemacht, statt den Finnen, dessen Tage in Maranello gezählt scheinen, auf die Pole-Position zu setzen. Oder schon am Start einen Platztausch befohlen. So aber hatte man den Titelkandidaten unnötig Gefahren ausgesetzt, und prompt rauschte dieser in der zweiten Schikane der ersten Runde in Hamiltons Silberpfeil. In der zugespitzten Lage der Weltmeisterschaft bleibt kein Raum für Fehler. „Es hätte genauso gut andersherum ausgehen können“, sagt Vettel über das verlorene Rad-an-Rad-Duell – ging es aber nicht. Deshalb: „Im Nachhinein würde ich es anders machen.“ Aber auch Gegner Hamilton weiß, wie dünn das Eis geworden ist: „Man muss die richtige Balance zwischen Aggressivität und Fehlervermeidung finden.“

Arrivabene will von Stallorder nichts wissen

Vettel hatte über die mangelnde taktische Unterstützung schon samstags gegrollt, und nach der Enttäuschung vom Sonntag war sein Zorn noch gewachsen. Aber nach außen hin machte er nur Andeutungen: „Ich bin es ja gewohnt, gegen drei andere Fahrer zu kämpfen. Das war nie anders in meiner Karriere.“ Umgehend wurde die Medienrunde danach vom Ferrari-Sprecher abgebrochen. Aber dem ARD-Reporter sagt er auf die Frage, warum sich sein Rennstall nicht auf den aussichtsreicheren Mann konzentriere: „Die Frage richtet sich mehr ans Team. Ich erwartete mir nichts, ich hab noch nie etwas geschenkt bekommen, deswegen gehe ich auch jetzt nicht an den Start und erwarte etwas.“

Besonders glücklich sind der Fahrer und seine Fahrgemeinschaft also nicht. Es ist fast schon widersinnig: Ausgerechnet Ferrari, der gnadenlose Perfektionist in Sachen Stallorder – man erinnere sich nur an die Skandale um Michael Schumacher und Rubens Barrichello – macht in dem Jahr, in dem der Titel endlich wieder greifbar ist, auf Gemeinwohl.

Valtteri Bottas, der Adjudant von Lewis Hamilton bei Mercedes, hat sich hingegen mit seiner Rolle als „Wingman“ abgefunden. Der Finne hielt seinen Landsmann Räikkönen davon ab, davonzuziehen, so dass Kollege Hamilton diesen acht Runden vor Schluss ein- und überholen konnte. „Wir sind als Team hier, um beide Titel zu gewinnen“, sagt der Mannschaftsspieler. Doch Maurizio Arrivabene, in den anderthalb Stunden wieder um einige Schattierungen grauer geworden, wollte von Stallorder nichts wissen: „Wir beschäftigen Piloten, keine Butler.“ Dabei geht es gerade auch um seinen Platz, falls diese Saison nicht mit dem Titelgewinn enden sollte.

Keine gute Stimmungslage

Sebastian Vettel muss sich fragen, warum ihm die klare Numero uno offenbar verwehrt bleibt, und das ist auf Dauer keine gute Stimmungslage. Er muss der neuen Ferrari-Führung um John Elkann und Louis Camilleri, die in Monza ihren Antrittsbesuch machte, seine Position klar machen. Familienerbe Pietro Ferrari schlug, für alle Fernsehzuschauer deutlich zu sehen, in der rennentscheidenden Szene die Hände vor den Kopf. In einem einzigen italienischen Wort ausgedrückt, das keine weiteren begleitenden Gesten braucht: Fiasko!