Spa. Ferrari-Pilot Vettel glaubt an seine Titel-Chance in der Formel-1-WM. Hamilton vertraut vor dem Rennen in Spa seinem mentalen Turbo.

Was für eine erschreckende, aber auch wunderbare Überschrift wäre das: „24 Punkte Rückstand – Vettel spricht von Rücktritt!“ Tatsächlich ist beides Fakt im Vorgeplänkel zum Großen Preis von Belgien am Sonntag (15.10 Uhr/RTL), dem Start in die heiße Phase der Formel-1-Saison. Vettel, der Titelverteidiger Lewis Hamilton jagen muss, hatte sich jedoch lediglich über den Frührentner Fernando Alonso geäußert: „Irgendwann werde ich auch nicht mehr dabei sein…“ Mit 31 hat er aber noch zwei weitere Ferrari-Rennjahre vor sich, plus den Rest von diesem. Sein einziges Heil kann dabei der Angriff sein, um Mercedes noch abzufangen. Schon auf der asphaltierten Achterbahn in den Ardennen befinden sich die Scuderia und er im roten Bereich.

Am Limit, aber vorerst straffrei

Der Abschied der Formel 1 von Europa, der jetzt innerhalb einer Woche stattfindet, beschleunigt Menschen und Motoren noch einmal an die fahrerischen und physikalischen Grenzen. Die Entscheidung bei den WM-Läufen in Spa und dem folgenden im Tempodrom von Monza wird maßgeblich von den Ingenieuren mitentschieden. Im Rennen neben der Rennstrecke geht es darum, wer wann welches Motoren-Upgrade bringt. Auch das ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Rot und Silber. Keiner will sich zu früh in die Karten gucken lassen, jede Pferdestärke mehr wird zum Teil des großen Strategiespiels. Wohl platziert und orchestriert, denn Motorenwechsel können empfindliche Rückversetzungen in der Startaufstellung bedeuten, wenn das Kontingent von drei Aggregaten pro Saison erschöpft ist. Erst fünf Minuten nach Beginn des ersten freien Trainings in Spa wurde der Schleier gelüftet.

„Spec 3“ heißen die Ausbaustufen des Hybrid-Antriebsstrangs, die sowohl Vettel als auch Hamilton in Belgien erstmals einsetzen. Sie sind damit zwar am Limit, bleiben aber vorerst straffrei. Geschwindigkeit gibt Rennfahrern immer Selbstsicherheit. „Für meine Aufholjagd ist es entscheidend, dass wir bis zum Schluss das richtige Tempo haben“, sagt Vettel.

Tabellenführer Hamilton schrieb seinen Ingenieuren dies ins Pflichtenheft: „Wir wissen alle, dass Ferrari in Sachen Geschwindigkeit die Oberhand hat. Also haben wir Arbeit vor uns, müssen unsere Leistung erhöhen.“

Es wäre das erste Mal in diesem Jahr, dass Mercedes und Ferrari ihre Entwicklungen gleichzeitig bei einem Grand Prix präsentieren. Zuletzt hatte sich Ferrari sagenumwobene 38 zusätzliche PS verschafft, offenbar durch eine geschickte Motorensteuerung und eine spezielle Mischung des Super-Plus-Benzins. „Letztes Jahr haben wir die WM verloren, weil unser Rennwagen am Saisonende nicht schnell genug war. Dieses Jahr haben wir schon gezeigt, dass unser Auto viel effizienter und stärker ist und immer noch viel Potenzial hat“, sagt Vettel, „wenn wir die Geschwindigkeit haben, können wir das Blatt wenden. Ich habe in meiner Karriere schon weit schlimmere Situationen noch umdrehen können. Deshalb versuche ich, aus jedem der verbleibenden neun Rennen ein Highlight zu machen.“

Abstand von 24 Punkten

Ferrari muss Schritt halten mit dem selbst vorgelegten Entwicklungstempo. Vettel glaubt, dass sein Team gewachsen ist an den zuletzt vergeblichen Titelanläufen: „Es hat uns stärker gemacht.“ Kleinigkeiten, wie ein richtiger oder falscher Handgriff beim Boxenstopp, können dieses trotz Hamiltons 24 Punkten Vorsprung unglaublich enge Titelrennen entscheiden.

Hamilton setzt auch auf seinen mentalen Turbo, nachdem er die letzten beiden Rennen entgegen der Wahrscheinlichkeitsrechnung gewann: „Ich weiß nicht, wie Sebastian mit dem Druck umgeht. Ich kann nur sagen, was er für mich bewirkt. Die Belastung in dieser Saison ist so groß wie nie, aber das ist so, wie ich es mag. Druck treibt uns Menschen zu außergewöhnlichen Leistungen und dazu, uns in jedem Bereich zu verbessern.“ Um im Formel-1-Jargon zu bleiben: Die menschliche Ausbaustufe.