Spa-Franchorchamps. Nach drei Wochen Sommerpause geht die Formel 1 in die entscheidende Phase der Saison - ausgerechnet auf dem spektakulären Kurs in Spa.

So also sieht Berechenbarkeit nach Formel-1-Maßstäben aus: Mit 310 in die Talsenke rasen, in einer Links-Rechts-Kurve mit dem 4,6-fachen des eigenen Körpergewichts in den Sitz gepresst werden, und dabei bergauf nicht mehr die Straße, sondern nur noch den Himmel zu sehen… Spektakulärer als mit dem Großen Preis von Belgien und der Mutkurve Eau Rouge könnte die Königsklasse nach drei Wochen Sommerpause nicht in die entscheidende Phase der Saison starten, da mag der Vor-Ruheständler Fernando Alonso noch so sehr lästern. Zum Spektakel des High-Speed-Duells zwischen Sebastian Vettel und Lewis Hamilton kommt noch das launische Ardennenwetter hinzu, Kühle und Schauer sind angesagt. Das macht es auf den insgesamt vier High-Speed-Passagen, auf denen es über die 300 geht, noch aufregender. Und der abschüssige Linksbogen namens Pouhon gilt als neue Mutprobe, er fordert noch mehr Überwindung als die berühmte Eau Rouge. Ein bisschen Spa muss immer sein. Hier trennen sich die Buben von den Männern – und die Champions von den Mitfahrern.

In der Formel-1-Sommerpause passierte viel

Tatsächlich sind es netto nur gut 14 Tage gewesen, in denen die Rennfabriken geschlossen bleiben mussten. Aber in denen hat sich viel getan. Alonsos Rückzug, weil er sich die Lust am Rennfahren nicht vom Frust bei McLaren zerstören will. Daniel Ricciardos angekündigter Wechsel als neuer Nebensitzer von Nico Hülkenberg bei Renault, der das Transferkarussell nochmal richtig auf Touren bringt – die Königsklasse steht vor dem Generationswechsel, wenn auch noch Kimi Räikkönen als Vettel-Adjudant ausgewechselt werden sollte. Bei der Scuderia steht die Entscheidung kurz bevor. Der Belgier Stoffel Vandoorne kämpft bei seinem Heimspiel schon um einen Verbleib in der Formel 1, als Lokalmatador wird aber ohnehin der Niederländer Max Verstappen wahrgenommen, der 70000 Zuschauer in Oranje nach Spa lockt. Zwei Arbeitsplätze konnten schon gerettet werden, nachdem Force India durch das Engagement des kanadischen Modemilliardärs und Lawrence Stroll gerettet wurde und unter diesem Teamnamen vielleicht zum letzten Mal auftreten wird – an jenem Ort, an dem der Vorgängerrennstall Jordan vor 20 Jahren seinen ersten Sieg feierte, im Dauerregen und nach einer Startkollision mit 13 Unfallautos.

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Drama ist nicht nur bei dem ersten der neun Chancen zu erwarten, die Sebastian Vettel noch hat, um die 24 Punkte Rückstand auf Titelverteidiger Lewis Hamilton gut zu machen. Der Brite hat via Emojis schon seine Erwartungen für das Grande Finale ausgedrückt, in dem er eine Flamme unter einem Bild postete, dass ihn mit geballten Fäusten zeigte. Sein Bruder Nicolas kommentierte umgehend – mit fünf Flammen. Das Feuer brennt, Hamilton ist der Mann des Sommers, war immer dann, wenn Ferrari schwächelte, und zeigte, dass er auch mit einem nicht mehr überlegenen Silberpfeil zum Sieger taugt.

Und die zweite Hälfte des Rennjahres ist für gewöhnlich seine bessere. In den letzten drei Jahren hat stets Mercedes in Spa gewonnen, bei den Regenrennen vor der Pause in diesem Jahr zeigte Hamilton seine Extraklasse. Aber die Ausbaustufe des Ferrari-Motors mit ihren wundersamen 38 zusätzlichen PS könnte auf das Pendel wieder in Richtung der Italiener ausschlagen lassen – ganz so, wie der unterhaltsame Schlagabtausch schon bislang verlaufen ist. Von einem dritten Upgrade ist die Rede, aber auch Mercedes arbeitet an Zusatzschub, macht um das Debüt aber noch ein Geheimnis. „Ich hoffe, sie geben weiter Gas. Wir müssen stark in die zweite Hälfte kommen", sagt Lewis Hamilton mit Nachdruck über seine Erwartungen an die Mercedes-Ingenieure. Vettel gibt sich gelassen, Angeln und Fahrradfahren taugten dem Heppenheimer zur Ruhe vor dem Sturm: „Ich denke, wir können noch zulegen.“

Alonso: "Eine Runde in Spa wie 20 auf einem anderen Kurs"

Rein topographisch bewegt sich die Formel 1 am Wochenende auf ihrer mit sieben Kilometer längsten Strecke wischen Berg und Tal, emotional hingegen zwischen Frust und Lust. Von dieser Saison ist noch einiges zu erwarten, vor allem Überraschendes. Das trifft auf den Systemkritiker Alonso zu, der über den Circuit sagt: „Was den Spaß und die Adrenalinausschüttung angeht, ist eine Runde in Spa wie 20 Runden auf einem anderen Kurs.“ Der Ex-Champion hat gerade noch mal die Kurve gekriegt…