Essen. Ex-NFL-Profi Björn Werner fördert nach seinem Karriere-Ende Talente. Im Interview spricht er über den Weg in die NFL und die kommende Saison.

Drei Jahre verteidigte Björn Werner in der American-Football-Profiliga NFL für die Indianapolis Colts. 2017 beendete der heute 28-Jährige seine Karriere, weil sein Knie nicht mehr hielt. Mittlerweile analysiert er NFL-Spiele für ProSieben und fördert Talente. Wir haben uns mit Werner unterhalten.

In der NFL läuft gerade die Preseason, also die Vorbereitung. Darum ranken sich viele Gerüchte und Legenden. Wie hart sie wirklich?

Björn Werner: Sie ist knallhart, vor allem für die jüngeren Spieler, die sich einen Kaderplatz sichern wollen. Jedes Team beginnt die Vorbereitung mit einem 90-Mann-Kader, der bis zum Saisonstart auf 53 reduziert wird. Am Ende des Trainingslagers wird also fast die Hälfte der Spieler den Job verlieren. Es gibt keine zweite Bundesliga oder spanische Liga wie im Fußball, da kann niemand einfach verliehen werden oder weiterziehen. Es gibt nur die NFL, mehr nicht. Du bist im Camp drei, vier Wochen weg von der Familie, trainierst täglich von 7 bis 19 Uhr – drei Stunden auf dem Platz, der Rest sind Besprechungen. Das ist auch mental anstrengend.

Die älteren Spieler wie Tom Brady, Ben Roethlisberger oder Aaron Rodgers können es ruhiger angehen lassen?

Werner: Für die ist es nicht der gleiche Druck, sondern eher der Gedanke: Nicht noch eine Preseason. Von den 53 Spielern im Kader sind aber nur fünf gesetzt. Die verdienen sechs, sieben Millionen Dollar, da würde bei einer Entlassung viel Geld verloren gehen. Der Rest des Kaders ist ersetzbar. Denn ein Garantiegehalt von einer Million Dollar ist nichts in der NFL. Die Klubbesitzer würden einen Spieler trotz dieses Gehaltes entlassen, wenn sie einen anderen haben wollen.

Star-Quarterback Tom Brady ist inzwischen 41 Jahre alt. Kann er die New England Patriots wieder in den Super Bowl führen?

Werner: Ja. Wenn jemand fragt, auf welches Team ich mein ganzes Geld setzen würde, würde ich immer ,New England Patriots‘ antworten, solange Tom Brady dort ist. Ich bin kein Patriots-Fan, aber sie haben in Bill Belichick den besten Trainer der Geschichte und den besten Quarterback der Geschichte. Sie machen aus Spielern, die in anderen Teams abgeschrieben waren, Superstars. Ich habe dreimal gegen die Patriots gespielt – und dreimal richtig auf die Nase bekommen.

Titelverteidiger sind die Philadelphia Eagles. Der Durchmarsch vor einem Jahr war überraschend. Können die Eagles den Erfolg wiederholen?

Werner: Nein. Andere Teams sind besser. In die Play-offs können die Eagles kommen, aber dort nicht weit. Ich fand diese Cinderella-Story super. Die Eagles haben sich während der Saison einfach gefunden und nach der Verletzung ihres Quarterbacks Carson Wentz zusammengehalten.

Wer sind denn außer den Patriots Ihre Super-Bowl-Favoriten?

Werner: Die Pittsburgh Steelers sind gefährlich. Die Los Angeles Rams haben auf dem Papier ein All-Star-Team zusammengestellt. Das heißt aber nicht, dass die Stars es schaffen, als Team zu funktionieren. Ich glaube, dass sich die Minnesota Vikings gut machen. Sie haben ihre sehr starke Defensive behalten und als Quarterback Kirk Cousins verpflichtet.

Der zweite legendäre Quarterback der NFL neben Tom Brady ist Aaron Rodgers von den Green Bay Packers. Er ist doch immer ein Super-Bowl-Kandidat.

Werner: Er ist so wichtig für sein Team wie es im Basketball LeBron James für die Cleveland Cavaliers war. Er hatte ein paar gute Jahre, hat einmal den Super Bowl gewonnen – aber die Packers sind nicht mein Favorit. Rodgers hat nicht viel Hilfe in seinem Team. Zudem ist er aufgrund seines Spielstils häufig verletzt.

Wer kann überraschen? Die Cleveland Browns haben von den vergangenen 32 Spielen nur eins gewonnen, jetzt aber ihre Mannschaft clever umgebaut.

Werner: In den USA gibt es einen Hype um die Browns. Ihnen wird sogar die Play-off-Teilnahme zugetraut. Ich sehe das nicht. Ich hoffe für die Browns, dass sie erst einmal vier, fünf Spiele gewinnen. Dann können sie schon glücklich sein.

Björn Werner als Verteidiger der Indianapolis Colts (l.) im Januar 2015 gegen Nate Solder von den New England Patriots.
Björn Werner als Verteidiger der Indianapolis Colts (l.) im Januar 2015 gegen Nate Solder von den New England Patriots. © imago

Zwei Teams mit großer Tradition haben die vergangene Saison verpatzt. Was können die San Francisco 49ers und die New York Giants nun erreichen?

Werner: Die Giants werden es 1000-mal besser machen. Sie haben eine superstarke Offensive mit Quarterback Eli Manning, Runningback Saquon Barkley und Receiver Odell Beckham Junior. Die 49ers werden es auch besser machen und eine Saison mindestens mit einer ausgeglichenen 8:8-Bilanz aus den 16 Spielen hinkriegen.

Sie haben Saquon Barkley angesprochen. Er ist ein NFL-Neuling, ein sogenannter Rookie. Er wurde im Draft als zweiter Spieler ausgewählt. Zurecht?

Werner: Ich bin ein Riesenfan von Barkley. Einen Runningback wie ihn gibt es nicht oft. Er ist auch als Typ super, ein unglaublicher Mensch. Runningbacks können sehr dominant sein in den ersten NFL-Jahren – so wie Todd Gurley, Leonard Fournette, Kareem Hunt zuletzt. Barkley ist aber zehnmal besser.

Im Draft haben sich viele Teams Quarterbacks ausgewählt. Welcher Rookie-Quarterback kann es schaffen?

Werner: Sam Darnold von den New York Jets wird sich am besten machen – obwohl er in der Medienmetropole viel Druck bekommen wird. Nummer-1-Pick Baker Mayfield war im College sehr erfolgreich, aber sehr kindisch mit seinen Aktionen, die er sich geleistet hat. Die anderen Quarterbacks Josh Rosen, Josh Allen – so viel gerissen haben die in ihren College-Teams nicht.

Es gibt auch einen Rookie mit einem deutschen Pass. Equinameous St. Brown versucht, als Receiver bei den Green Bay Packers ins Aufgebot zu kommen.

Werner: Er ist groß und sehr athletisch. So lange er sich nicht verletzt, kann er eine Rolle spielen. Ich drücke die Daumen.

Und die anderen Deutschen in der NFL?

Werner: Moritz Böhringer und Chris Ezeala sind über das International Pathway Program der NFL in den Teams gelandet. Sie sind aber nur im sogenannten Practice Squad unterhalb des Kaders, erst einmal ohne Spielrecht. Schon dort werden sie viele Erfahrungen sammeln. Das ist gut für den deutschen Football. Wenn sie es in diesem Jahr nicht in einen Kader schaffen – dann vielleicht im nächsten.

Dann gibt es noch Kasim Edebali bei den Chicago Bears.

Werner: Er hatte im vergangenen Jahr vier Teams, aber niemand sollte über ihn lachen. Er ist immer noch dabei, verdient seine 600 000 Dollar im Jahr und kann seinen Traum weiterleben. Ist doch egal, ob du Ersatzspieler bist oder spielst. Es muss erst einmal jemand schaffen.

Viele bekannte Spieler aus Deutschland haben ihre Karriere gerade beendet – so wie sie.

Werner: Es gibt auch noch Sebastian Vollmer und Markus Kuhn, die gerade aufgehört haben. Wir kamen kurz hintereinander in die NFL, das wir gut. Jetzt befinden wir uns in einem Loch, da gibt es keine großen Schlagzeilen mit deutschen Spielern.

In der Eishockey-Liga NHL und der Basketball-Liga NBA gibt es mehr Stars aus Deutschland. Wann schaffen es Football-Spieler?

Werner: Es ist verdammt schwer, da reinzukommen. Deshalb finde ich es lächerlich, wenn ich gefragt werde: Warum haben wir keinen? Der Weg in die NFL ist länger als in anderen Sportarten. Die Prozentzahl, es als deutscher Football-Spieler zu schaffen, eine Saison im 53-Mann-Kader zu stehen, liegt unter 0,1.

Sie versuchen mit ihrer Firma „Gridiron Imports“, talentierte Spieler in Europa, vor allem in Deutschland, zu finden und zu fördern. Wie schaffen es die Talente in die NFL?

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Werner: Die Jugendförderung ist das allerwichtigste. Wir haben nicht viel Geld im deutschen Football - und das geht nicht immer in die Jugendförderung, sondern in die Herrenmannschaften. Der einzige Weg ist: Wir müssen die Talente in die USA holen, um sie an die High Schools und Colleges zu bringen. Und das machen wir. Im College trainierst du über vier Jahre wie ein NFL-Spieler. Und die zweitbeste Liga der Welt ist die College-Liga.

In Deutschland gibt es immer mehr Football-Mannschaften. Ist der direkte Sprung zu schwer?

Werner: Ja. Nur wenige Talente werden im NFL Draft ausgewählt, die direkt aus Europa kommen und nicht von den amerikanischen Colleges. Keiner wird es direkt aus einer Herrenmannschaft in die NFL schaffen. Im Football brauchst du gute Trainer, um besser zu werden – selbst im Fitnessstudio. Im Fußball und Basketball kann man sich vieles auch selbst beibringen. Die Talente müssen nach Amerika, um auf sich aufmerksam zu machen.

Woran machen Sie den Football- und NFL-Hype in Deutschland fest?

Werner: Das Football-Interesse wächst unglaublich. Die NFL wird am Sonntag ab 19 Uhr übertragen. Da chillen sowieso alle und sitzen meist vor dem Fernseher. Es ist ein Trend geworden, dass viele mittlerweile Football schauen. Vor 15 Jahren habe ich niemanden in Deutschland mit NFL-Klamotten gesehen. Wenn ich jetzt in Deutschland unterwegs bin, begegne ich vielen Fans mit NFL-Shirts, NFL-Mützen. Je mehr Zuschauer Football hat, desto mehr Jugendliche kommen in die Vereine.

Wird denn in der NFL wahrgenommen, dass sich viele Deutsche für Football interessieren?

Werner: Ja. Deutschland ist nach Großbritannien und Mexiko der größte Markt. Es wäre cool, wenn die NFL entscheiden würde, ein Spiel pro Jahr in Deutschland auszutragen. Bei den drei Spielen, die pro Saison in London stattfinden, kommt die Hälfte der Fans aus Deutschland.