Glasgow. Die 28. EM-Medaille der Karriere ist für den Wasserspringer eine ganz besondere. Bis dato liefen die Wettbewerbe in Glasgow verkorkst.

Es muss ein trauriges Gespräch gewesen sein, das Patrick Hausding am Donnerstagnachmittag mit seiner Freundin Alexandra führte. Nach Rang fünf im Einzelwettbewerb vom Dreimeterbrett war sich der 29 Jahre alte Wasserspringer aus Berlin sicher gewesen, dass für ihn nichts mehr zu gewinnen sein würde bei den European Championships im Royal Commonwealth Pool in Edinburgh. „Ich habe ihr gesagt: Das ist meine elfte EM und die erste, von der ich ohne Medaille nach Hause komme“, sagte der Rekordeuropameister (13 Titel) am Freitag. Da war er gerade als Bronzemedaillengewinner im Synchronwettbewerb vom Dreimeterbrett aus dem Wasser gestiegen – und hatte noch nicht die Zeit gehabt, den Frust vom Vortag im Gespräch mit seiner Liebsten daheim zu revidieren.

Sein Stammpartner war verletzungsbedingt nicht dabei

Die 28. EM-Plakette seiner Karriere, sie wird für Patrick Hausding emotional einen Sonderplatz einnehmen, wenn er irgendwann auf seine herausragende Laufbahn zurückblickt. Gehandicapt von einer in der Vorbereitung erlittenen Verletzung am rechten Fuß, die in Oberschenkel und Adduktoren ausstrahlte, hatte er sich durch die Woche gekämpft. Auf den Teamwettbewerb hatte er zwecks Schonung verzichtet, war dann vom Einmeterbrett als 14. baden gegangen und hatte befürchtet, mit Rang fünf vom Dreimeterbrett alle Medaillenchancen eingebüßt zu haben. Schließlich musste er am Freitagmittag, da sein Stammpartner Stephan Feck (Leipzig) verletzungsbedingt pausiert, mit dem Berliner Lars Rüdiger (22) antreten, der in Schottland seine erste EM erlebt.

„Für den Kopf war das unheimlich schwer. Wenn der Körper nicht so will, wie man es möchte, ist das mental sehr anstrengend“, sagte Hausding, der am Donnerstag in der Qualifikation zum Einzelwettkampf sogar seine ganze Karriere auf den Prüfstand gestellt hatte. „Da geht einem der ganze Lebenslauf durch den Kopf. Man überlegt, was man in der Karriere so geschafft hat und warum man jetzt wie der erste Mensch springt. Und was es sonst noch im Leben so geben könnte und wie lange man das noch machen will“, sagte er.

Russland und Großbritannien holen Gold und Silber

Aber weil Patrick Hausding gelernt hat, sich über die Tücken des eigenen Körpers hinwegzusetzen und für seine Ziele zu kämpfen, wusste er am Freitag vor dem fünften Sprung, als Rüdiger und er auf Rang vier hinter Russland, Großbritannien und der Ukraine lagen, dass doch noch eine Medaille möglich wäre. „Es lief gut, ich fühlte mich beim Anlauf sicherer, und da habe ich zu Lars gesagt: Jetzt beißen wir uns durch!“ Und weil die Ukrainer Oleksandr Gorschkowozow und Oleg Kolodij den viereinhalbfachen Vorwärtssalto völlig verpatzten, zogen die Deutschen vorbei und sicherten sich mit zwei sauberen Schlussdurchgängen und 394,77 Punkten Bronze hinter den russischen Weltmeistern Jewgeni Kusnetsow/Ilja Sacharow (431,16) und den britischen Olympiasiegern Jack Laugher/Christopher Mears (430,62).

„Ich verbinde mit dieser Medaille mehr als einen Sieg und freue mich sehr, dass ich sie mit Lars teilen kann. Er hat dem Druck klasse standgehalten“, lobte der Routinier. Vor dem letzten Sprung hatte es einen Kommunikationsfehler mit einem Punktrichter gegeben, der beide aus ihrer Konzentrationsphase riss, die sie mit gemeinsamer Meditation zwischen den Durchgängen ritualisiert hatten. „Ich war trotzdem nicht aufgeregter als bei den anderen Sprüngen auch“, sagte Rüdiger, „es war zwar viel Druck, aber Patrick hat mich sehr gut beruhigt.“

Tokio 2020 wieder ins Auge gefasst

Was die Bronzemedaille für die Zukunft bedeutet, wollte Hausding noch nicht abschließend beurteilen. Wenn Stephan Feck seine Genesung erfolgreich vorantreibt, wird das Erfolgsduo wiedervereint. „In jedem Fall ist dieser dritte Platz eine große Motivation für mich, noch bis zu den Olympischen Spielen 2020 weiterzumachen“, sagte er. Und dann ist da ja auch noch der EM-Rekord der Italienerin Tania Cagnotto (33), die 29 Medaillen bei kontinentalen Titelkämpfen gewann. „Zwei Europameisterschaften sind es bis Tokio auf jeden Fall noch, und die 30 würde ich schon gern erreichen“, sagte Hausding, der nun jedoch erst einmal mit seiner Freundin im Kroatien-Urlaub entspannte Gespräche führen will.

Am späten Freitagnachmittag verpasste es die Dresdnerin Tina Punzel, die Gesamtbilanz weiter aufzubessern. Vom Einmeterbrett wurde die 23-Jährige, die im gemischten Synchronspringen vom Dreimeterbrett mit Lou Massenberg (17/Berlin) den Titel und die Qualifikation am Freitagmorgen gewonnen hatte, nach einem verpatzten zweieinhalbfachen Auerbachsalto im vierten Durchgang Vierte (254,10 Punkte) hinter den Russinnen Maria Poljakowa (285,55) und Nadeschda Baschina (276,00) sowie Elena Bertocchi (Italien/271,25).