Berlin. Kugelstoßerin Christina Schwanitz verpasste das dritte EM-Gold in Serie. Im letzten Versuch wurde sich noch von Paulina Guba überholt.

Christina Schwanitz legte alles in ihren letzten Versuch hinein, auf der Tribüne zitterten Ehemann Tomas und die kleinen Zwillinge - doch der Traum vom dritten EM-Titel in Serie platzte für die starke Kugelstoß-Mama jäh. Im finalen Durchgang schnappte die Polin Paulina Guba der lange führenden Schwanitz im Berliner Olympiastadion die Goldmedaille vor der Nase weg und sorgte für große Stille. Ein wenig zerknirscht machte sich die deutsche Favoritin schließlich auf die Ehrenrunde.

"Es war ein geiler Wettkampf, der Spaß gemacht hat. Leider war es nicht das erhoffte Ende. Egal, beim nächsten Mal wird es besser gemacht", sagte Schwanitz, die leicht gequält mit der Deutschland-Fahne auf den Schultern in Richtung ihrer Familie marschierte.

Guba überholte Schwanitz im letzten Versuch

Dabei hatte Schwanitz Gold und damit die grandiose Rückkehr aus ihrer Babypause eigentlich schon in der Tasche gehabt. Im ersten Durchgang bereits hatte die 32-Jährige mit 19,19 m die Führung übernommen, die Weite aber nicht mehr steigern können. Das rächte sich: Im letzten Versuch steigerte sich Guba auf 19,33 und spielte den Partycrasher.

"Natürlich hatte ich gehofft, dass es ein goldenes Comeback wird. Und es wäre sehr realistisch gewesen, das ist ja das Bedauerliche", sagte Schwanitz: "Wir haben eigentlich alle im Wettkampf nicht das gezeigt was wir konnten - mit Ausnahme von Paulina im letzte Versuch. Das ist halt sehr ärgerlich." Schwanitz zeigte sich selbstkritisch: "Ich habe schlecht gearbeitet. Ich war der Meinung, ich bin schnell, aber dem war wohl nicht so. Und wenn man unbedingt will, geht es meistens in die Hose. Die Leistung war doof"

Bronze ging an die Weißrussin Aljona Dubizkaja (18,81 m). Sara Gambetta (Halle) kam auf Rang fünf (18,13), Alina Kenzel (Waiblingen) wurde Neunte (17,26).

Schwanitz, Weltmeisterin von 2015, hatte 2012 und 2014 den kontinentalen Titel geholt. Dreimal oder mehr EM-Gold in Serie in einer Einzeldisziplin haben aus deutscher Sicht Heike Drechsler (Weitsprung/1986, 1990, 1994, 1998) sowie die DDR-Sprinterinnen Marlies Göhr (100 m/1978, 1982, 1986) und Marita Koch (400 m/1978, 1982 1986) gewonnen.

Unfall auf dem Weg ins ZDF-Sportstudio

Der Weg nach Berlin war für das so erfahrene Kraftpaket Schwanitz durchaus steinig gewesen. Zwar hatte sie nach ihrer Rückkehr aus der Babypause - den ersten Wettkampf nach der Geburt ihrer beiden "Krümel", wie sie selbst die Zwillinge nennt, bestritt sie im Mai - in Rekordzeit wieder fast zur Bestform gefunden.

Bei der DM in Nürnberg zweieinhalb Wochen vor ihrem Auftritt in Berlin holte Schwanitz ihren sechsten Freiluft-Titel und übertraf erstmals wieder die 20-Meter-Marke (20,06). Ihr Bestleistung aus dem gewonnenen WM-Finale 2015 in Peking steht bei 20,77 m.

Auf dem Weg ins Sportstudio, um dort über ihren DM-Erfolg und die EM-Aussichten zu berichten, war Schwanitz dann aber in einen Autounfall verwickelt. Dieser ging zwar verhältnismäßig glimpflich aus, der Schreck war ihr aber ordentlich in die Glieder gefahren.

"Wir hatten alle Schutzengel, die unterwegs waren. Ein bisschen gehandicapt bin ich", sagte Schwanitz, die neben einer Blessur an der Stoßhand eine Gehirnerschütterung und ein Schleudertrauma erlitten hatte: "Das hat den Gleichgewichtssinn gestört. Ich bin in den Ring gegangen und erstmal umgefallen. Jetzt komme ich aber wieder ganz gut rückwärtsdrehend durch den Ring."

Ob es die Nachwirkungen des Unfalls waren oder nur ein schlechter Tag? Jedenfalls dürfte Schwanitz auf dem Weg Richtung WM 2019 und Olympia 2020 nun richtig heiß sein. (sid/dpa)