Glasgow. Vor zwei Jahren musste Trixi Worrack nach schwerem Sturz eine Niere entfernt werden. In Glasgow meldet sie sich eindrucksvoll zurück.

Glasgow „Fate“ hat sich Trixi Worrack auf ihr linkes Handgelenk tätowieren lassen, das englische Wort für Schicksal. Sie hat sich für diese unter die Haut gehende Botschaft entschieden, weil sie findet, dass man die Dinge nehmen muss, wie sie kommen. Und wer wüsste das besser als die 36 Jahre alte Radsportlerin aus Dissen im Spreewald? Im März 2016 war sie beim Eintagesrennen Trofeo Alfredo Binda in Italien so schwer gestürzt, dass ihr eine Niere entfernt werden musste. Vierfache Weltmeisterin im Teamzeitfahren war sie damals, ihre Karriereplanung sah weitere Titel vor. Und nun sollte ein Schicksalsschlag plötzlich das Ende aller Träume bedeuten?

Am Mittwochvormittag stand Trixi Worrack im Glasgow Green, dem ältesten Park der größten Stadt Schottlands, und musste erklären, warum das Schicksal sie an diesem Tag wieder umarmt anstatt geschlagen hatte. Völlig überraschend hatte sie die Bronzemedaille im Einzelzeitfahren bei den European Championships gewonnen, nur die Niederländerinnen Ellen van Dijk (41:39 Minuten) und Anna van der Breggen (41:41) waren schneller gewesen. Selbst als die Siegerehrung gelaufen war, konnte Worrack ihre Verblüffung nur schwer verbergen. „Ich hatte mir eine Platzierung zwischen fünf und acht erhofft. Dass ich jetzt Dritte bin, ist unglaublich“, sagte sie.

Ein Blindflug sei das Rennen gewesen, „wir konnten die Strecke im Training nur im fließenden Verkehr abfahren und die Kurven deshalb nur mit 30 statt 45 km/h nehmen“. Außerdem fing es, als die deutsche Vizemeisterin als Zehnte von 34 Starterinnen auf die 32,3 Kilometer lange Strecke ging, heftig zu regnen an. „Die Straßen waren nass, es war sehr schwer“, sagte Worrack, die im Ziel ihre Zeit von 42:48 Minuten zunächst nicht einzuordnen wusste. Also saß sie im Zelt, in dem sich die drei Bestplatzierten für die Siegerehrung bereithalten müssen, und wartete. Erst als ihre Teamkollegin Lisa Brennauer kam und zu Bronze gratulierte, dämmerte ihr, was sie geschafft hatte.

Brennauer, deutsche Zeitfahrmeisterin und am vergangenen Sonntag mit Bronze im Straßenrennen dekoriert, war als Medaillenkandidatin ins Rennen gegangen und auch nur wenige Meter hinter der neuen Europameisterin van Dijk ins Ziel gerast – allerdings nur deshalb, weil sie drei Minuten vor der Niederländerin gestartet war. Mit ihrem 14. Rang (44:40) konnte die 30 Jahre alte Allgäuerin gut leben, weil sie in Glasgow auch auf der Bahn Medaillen gewonnen hatte, Gold in der Einerverfolgung und Bronze in der Teamverfolgung. „Ich kann erhobenen Hauptes von dieser EM abreisen“, sagte sie.

Auch Schachmann holt Bronze

Das gilt auch für Maximilian Schachmann. Der 24 Jahre alte Berliner gewann mit 27,38 Sekunden Rückstand auf den belgischen Sieger Victor Campenaerts (53:38,78 Minuten) Bronze und rundete mit seiner ersten Einzelmedaille im Seniorenbereich einen gelungenen Tag für den deutschen Radsport ab. „Ich bin ohne große Erwartungen angetreten, kam mit der Strecke aber gut zurecht und bin mit dem dritten Platz sehr glücklich“, sagte er.

Trixi Worrack ordnete ihren Erfolg derweil mindestens so hoch ein wie ihre letzte Einzelmedaille bei einem internationalen Großereignis, WM-Silber im Straßenrennen 2006. „Auch wenn es nur Bronze ist, bedeutet diese Medaille für mich richtig viel“, sagte sie. „Ich habe mich nach dem Unfall nicht so gefühlt, als ob ich aufhören müsste. Das heute ist die Belohnung für die ganze Arbeit“, sagte sie. Ende September stehen in Innsbruck die Straßenweltmeisterschaften an. Ob sie dort als EM-Dritte nun zum Kreis der Medaillenanwärter gerechnet werden müsse? „Ich weiß ja nicht einmal, ob ich dabei bin“, sagte Trixi Worrack. Sie wird abwarten, was das Schicksal so vorhat mit ihr.