Glasgow. Edelmetall für Deutschland. Leonie Beck holt bei den European Championships in Glasgow die Silbermedaille über fünf Kilometer.

Die große Plastikflasche mit der roten Flüssigkeit hatte Leonie Beck schon wenige Minuten nach dem Rennen über fünf Kilometer fast komplett geleert. „Am Ende war es ziemlich hart und echt anstrengend“, erklärte die 21-jährige Freiwasserschwimmerin ihren enormen Durst mit einem müden Lächeln. Zugleich freute sich die hoch aufgeschossene Frau über EM-Silber: „Das war mein erster internationaler Wettbewerb mit einem guten Resultat.“ Über dieses Statement musste Bundestrainer Stefan Lurz dezent schmunzeln, als er eine Stunde später nach dem Männerrennen am Ufer des Loch Lomond stand. „Es ist ja auch erst ihr zweites großes Event im freien Wasser überhaupt, nach der WM im letzten Jahr.“

Von den 17 Konkurrentinnen im 17 Grad kühlen Wasser bekam Beck, die bis zum vergangenen Jahr vor allem die 1500 Meter im Becken schwamm, nur die Niederländerin Sharon van Rouwendaal (24) nicht in den Griff. Gemeinsam legte das Duo ein enormes Tempo vor, bei dem die anderen Schwimmerinnen nicht mithalten konnten. „Nach 1000 Metern habe ich mal um mich geschaut, aber da waren wir nur noch zu zweit“, erzählte Rouwendaal, die bis ins Ziel einen Vorsprung von 17 Sekunden auf ihre deutsche Verfolgerin herausschwamm.

Gegen Ende habe sie befürchtet, dass Beck sie noch abfange, erzählte die Olympiasiegerin von Rio. Die Open-Air-Kraulerin des DSV allerdings war ihrerseits froh, die kleine Meute in dem viel besungenen See nordwestlich von Glasgow auf Distanz gehalten zu haben. „Ich habe mich gar nicht getraut, nach hinten zu schauen“, gestand Beck. „Aber es hat gut funktioniert, weil wir vorher so eine große Lücke gerissen hatten.“

„Erholen, erholen, erholen“

Das mögliche Gold entglitt ihr nach knapp vier Kilometern. „Nach einer Boje habe ich einen kleinen Fehler gemacht, danach konnte ich sie nicht mehr halten“, rekapitulierte die gebürtige Augsburgerin. Und präsentierte umgehend ihren simplen Plan bis zum Rennen über die olympischen zehn Kilometer am Donnerstagmorgen: „Erholen, erholen, erholen.“

Dasselbe galt für die Essenerin Jeannette Spiwoks – und für Rob Muffels. Wie die beiden Teamkolleginnen springt auch der 23-jährige Magdeburger, der beim Sieg des Ungarn Kristof Rasovszky als Bester der drei DSV-Starter Vierter wurde, innerhalb von 24 Stunden zwei Mal in den größten See Schottlands. Und zwar nicht im normalen Renntextil, sondern in einem Neoprenanzug. Seit drei Jahren ist bei einer Wassertemperatur unter 18 Grad Neopren als Schutz für die Marathonspezialisten Vorschrift. „17 Grad wie hier, das ist schon frisch. Irgendwann hat man kein Gefühl mehr in den Fingern, dazu brennt das Gesicht“, weiß Chefcoach Lurz, den bei der Männer-Konkurrenz immerhin die ersten Sonnenstrahlen seit der Ankunft der Freiwasserschwimmer in Schottland kitzelten.

Beim Rennen der Frauen, die um halb zehn gestartet waren, nieselte es dagegen noch über dem malerischen Flecken im Trossachs Nationalpark. „Manchmal regnet es hier schon“, witzelte Leonie Beck, die ahnte: „So viel Sonne gibt’s hier wohl nicht.“ Dafür sei alles gut organisiert – gerade die Freiwasserschwimmer kennen das schließlich auch immer noch ganz anders. „Zum Beispiel von Wettkämpfen in Südamerika, da funktioniert manchmal nicht mal die Zeitmessung“, berichtete Lurz, der bei den wetterfesten Herrschaften eine deutlich spannendere Entscheidung erlebte als bei den Frauen eineinhalb Stunden zuvor.

„Bei den Männern ist momentan keiner so überlegen, dass er den anderen wegzieht“, betonte der Coach aus Würzburg, der ein wenig an dem knapp verpassten Edelmetall zu knabbern hatte. Über die fünf Kilometer war Rob Muffels 2015 immerhin WM-Zweiter geworden. „Enttäuschung ist der falsche Ausdruck. Aber Platz vier ist eben immer Platz vier“, betonte Lurz, wusste aber zugleich: „Zu den ersten drei gab es schon eine Lücke von zehn Metern.“