Berlin. Zwei deutsche Medaillen am ersten Finaltag der Leichtathletik-EM: Gina Lückenkemper holte Silber, Kugelstoßer David Storl Bronze.

Dina Asher-Smith ist die schnellste Frau Europas. Die 22-jährige Britin gewann am Dienstag, dem ersten Finaltag der Leichtathletik-Europameisterschaften, im Berliner Olympiastadion in der Zeit von 10,85 Sekunden. Doch für die zweitplatzierte Gina Lückenkemper, die in 10,98 Sekunden vor der Titelverteidigerin aus den Niederlanden, Dafne Schippers (10,99), ins Ziel kam, fühlte sich Silber wie Gold an. Die rund 25.000 Zuschauer feierten die Deutsche, als hätte sie gewonnen.

Glücklich posierte sie mit der deutschen Fahne und drehte eine Ehrenrunde mit Maskottchen Berlino. 400 Meter – eigentlich zu lang für sie. „Ich habe trotzdem jede einzelne Sekunde genossen“, sagte sie mit Tränen in den Augen, „das ist ein unfassbar emotionaler Moment für mich.“ Das Wasser in den Augen, erklärte sie, käme durch die Atmosphäre im Stadion. „Es ist einfach nur geil, wenn alle Leute deinen Namen brüllen“, jubelte Lückenkemper, die sich nun auf die Siegerehrung am Mittwoch auf dem Breitscheidplatz freut. „Auch da werden sicher wieder Tränen fließen“, kündigte sie an.

David Storl holte EM-Bronze im Kugelstoßen

Eine zweite Medaille für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) hat der Kugelstoßer David Storl (Leipzig) geholt. Allerdings nicht die, die sich der dreimalige Europameister und Titelverteidiger erhofft hatte. Der Sachse gewann Bronze mit 21,41 Metern aus dem ersten Versuch hinter den Polen Michal Haratyk (21,72) und dessen Landsmann Konrad Bokowiecki (21,66). Vom Sieger hatte man eine solche Leistung erwarten können, er hat als einziger Europäer in diesem Jahr schon über 22 Meter gestoßen. Der erst 21-jährige Bokowieckis hatte bisher vor allem in der Halle überzeugt.

Ein erfreulicher erster Tag für die Gastgeber war es dennoch. Vor allem durch Lückenkemper, den Darling der deutschen Leichtathletik. Schon im Halbfinale hatte die 21-Jährige gezeigt, in welch großartiger Form sie ist. 10,98 Sekunden lief sie da bereits im zweitschnellsten Rennen ihrer Karriere; nur vergangenes Jahr bei den Weltmeisterschaften in London war die zweimalige deutsche Meisterin von Bayer Leverkusen in 10,95 noch schneller unterwegs gewesen. In dieser Saison lag ihr Bestwert bei 11,07 Sekunden. Vor zwei Jahren bei der EM in Amsterdam hatte sie mit erst 19 Jahren Bronze über 200 Meter gewonnen; über diese Distanz startet sie in diesem Jahr nicht.

Auch interessant

„Das war großartig, hoffen wir, dass wir nachher eine Medaille sehen“, sagte sie, „mit diesem Publikum sind große Dinge möglich.“ In ihrem Halbfinallauf war allerdings Dina Asher-Smith bereits um sechs Hundertstelsekunden schneller als sie und unterstrich damit schon ihre Favoritenrolle. Aber die erhoffte Medaille sicherte sich Lückenkemper. „Zwei will ich aus Berlin mitnehmen“, hat sie forsch angekündigt. Im Staffelrennen am Sonntag kann sie das umsetzen.

Tatjana Pinto und Lisa-Marie Kwayie scheiterten im Halbfinale

Schade aus deutscher Sicht, dass es für Tatjano Pinto (11,26) vom LC Paderborn und die Berlinerin Lisa-Marie Kwayie (Neuköllner SF/11,36) nicht ganz zum Finaleinzug reichte. Vor allem für Pinto war es bitter, denn sie verpasste einen der acht Finalplätze als Neunte sehr knapp. Die deutschen Läufer Julian Reus (LAC Erfurt/10,37) und Lucas Jakubczyk (SCC Berlin/10,32) waren im Halbfinale chancenlos.

Für David Storl war es zwar nicht der krönende, aber ein positiver Abschluss einer mit viel Ungewissheit begonnenen Saison. Er hatte sich nach Jahren von seinem Trainer Sven Lang getrennt. Weder hatte es bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio zu einer Medaille gereicht noch bei der WM 2017. In London hatte der 28-Jährige sogar das Finale verpasst. Das forcierte seine Entscheidung, zu Wilko Schaa zu wechseln, einem Mitarbeiter am Institut für angewandte Trainingswissenschaften (IAT) in Leipzig, den er schon seit Jahren kannte.

Nun sagt Storl: „Das war ein richtiger und notwendiger, aber auch ein wahnsinnig großer Schritt für einen Athleten in meinem Alter, das ganze System umzustellen.“ Zwar ist er nach wie vor der einzige Kugelstoßer in der Weltspitze, der die Drehstoßtechnik verweigert, doch durch die Umstellung im Training ist er deutlich schneller in seiner Bewegung als früher.

Der Erfolg ist deshalb geblieben beim zweimaligen Weltmeister. Storl und Schaa sind beide junge Väter, sie sind vom Alter nicht weit auseinander und auch privat befreundet. „Wir verstehen uns einfach“, sagt der Kugelstoßer, der wieder Spaß hat aufs Training. Sogar seine Bestweite von 22,20 Metern, erzielt 2015 beim Diamond-League-Meeting in Lausanne, will er wieder in Angriff nehmen. Der Hauptgrund für seinen Optimismus ist neben dem neuen Spaß am Training sein körperlicher Zustand: „Ich bin im Moment vollkommen fit.“

10.000-Meter-Goldhoffnung Richard Ringer gab auf

Richard Ringer (Friedrichshafen), der sich vorgenommen hatte, das erste Gold für Deutschland zu gewinnen, scheiterte klar bei diesem Unterfangen. Acht Runden vor Ende des 10.000-m-Rennens gab Europas Schnellster mit 27:36,52 Minuten, gelaufen im Mai beim Europacup in London, chancenlos auf. „Meine Beine gingen heute nicht, es tut mir echt leid. Die Luft war raus“, sagte er. Der Sieg ging stattdessen überraschend an den Franzosen Morhad Amdouni in 28:11,22 Minuten. Amanal Petros, der vor sechs Jahren als Flüchtling aus Äthiopien nach Deutschland kam, landete auf dem 16. Rang in 29:01,19.