Essen. Nach zwei Monaten Schweigen äußerte sich Mesut Özil zur Erdogan-Affäre. Er rechnete mit vielen ab und trat aus der Nationalelf zurück.

Mesut Özil saß im Flugzeug, als er die Welt um sich herum untergehen ließ. Die Welt, zu der er so beharrlich geschwiegen hatte. Zwei Monate lang war ihm nach seinem Treffen mit dem umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan Mitte Mai öffentlich kein Wort zu entlocken.

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Am Sonntag hat er sein Schweigen gebrochen. Drei wortreiche, englischsprachige Mitteilungen ließ der 29-Jährige für seine Social-Media-Plattformen verfassen. Teil 1 zum Treffen mit Erdogan (um 12.52 Uhr). Teil 2 über Medien und Sponsoren (um 15.03 Uhr) - und in Teil 3 (20.04 Uhr) erklärte er seinen Rücktritt.

Özils Botschaften in den ersten beiden Mitteilungen waren schon eine Abrechnung: Mit Sponsoren wie Mercedes, mit den Medien, mit dem deutschen Fußball-Bund und sogar mit der Gesamtschule Berger Feld, seiner Schule in Gelsenkirchen – siehe unten. Der Mittelfeldspieler provoziert seinen Rauswurf aus der Nationalelf, während er sich mit dem englischen Topklub FC Arsenal auf dem Weg nach Singapur befand. Marketing-Reise. Weit, weit weg.

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Es ist eine Eskalation, die von politischen Rechtsströmungen und dem historischen Misserfolg bei der WM getragen wurde. Einer der begnadetsten deutschen Fußballer und ein jahrelanges Symbol deutscher Integrationspolitik steht unmittelbar vor dem Aus.

Kampagne gegen Mesut Özil?

Özil sieht sich einer Kampagne ausgesetzt. „Diverse deutsche Zeitungen“, schrieb er, „nutzen meinen Hintergrund und das Foto mit Präsident Erdogan als rechte Propaganda. (...) Warum sonst nutzen sie Bilder und Überschriften mit meinem Namen als direkte Erklärung für die Niederlagen in Russland?“ Es wirkte, als schreibe er nieder, was er schon lange hatte sagen wollen.

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Bestimmte Medien kritisierten „nicht meine Leistung, sie kritisieren nicht die Leistung des Teams, sie kritisieren nur meine türkische Abstammung und meinen Respekt davor. Das überschreitet eine persönliche Linie, die niemals überschritten werden sollte, da die Zeitungen versuchen, die deutsche Nation gegen mich aufzubringen.“

In Einzelfällen mag das stimmen. Geboren ist Özil in Gelsenkirchen – die Herkunft seiner Familie verleugnet er nicht. „Ich habe zwei Herzen, ein deutsches und ein türkisches.“ Erdogan kenne er seit vielen Jahren, es gibt viele Fotos von den beiden. Es sei „bei einem Foto mit Präsident Erdogan nicht um Politik oder um Wahlen“ gegangen, „sondern darum, das höchste Amt des Landes meiner Familie zu respektieren. (...) Was auch immer das Ergebnis der letzten Wahlen gewesen wäre, oder der Wahlen davor, ich hätte das Bild trotzdem gemacht.“

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Özil bereut das Foto also nicht. Er versucht, das Foto zu erklären. Und er geht in die Offensive, weil er das Gefühl hat, als Sündenbock instrumentalisiert zu werden für das historisch schlechte Abschneiden der deutschen Mannschaft bei der Fußball-WM in Russland.

Sündenbock für das Desaster

Diese war von Özils Bildern mit Erdogan (und auch denen von Ilkay Gündogan) empfindlich gestört worden. Der DFB-Präsident Reinhard Grindel und Oliver Bierhoff, der Nationalmannschaftsdirektor im Verband, hatten sich zuletzt in diese Richtung geäußert. Man hätte „überlegen müssen, ob man sportlich auf ihn verzichtet“, gab Bierhoff Özil in einem Interview mit der Welt als potenziellen Sündenbock für das Desaster preis. Einen Tag später entschuldigte er sich für die Formulierung und reklamierte, auch falsch interpretiert worden zu sein.

Grindel erhöhte den Druck ebenfalls, in dem er in einem Interview mit dem Kicker eine öffentliche Erklärung Özils einforderte.

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Der sensible Künstler versteht das nicht. Und er erklärt auch, warum er das nicht versteht. Schließlich durfte sich Lothar Matthäus, Rekordnationalspieler und Ehrenspielführer beim DFB, während des Turniers mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin treffen. Ebenfalls ein höchst umstrittener Machthaber. Keine Empörung. Warum bei Özil? „Macht meine türkische Abstammung mich zu einem wertvolleren Ziel“, fragt Özil. Nach seinem Treffen mit Erdogan seien Sponsoren von ihm abgerückt. Ein persönlicher Partner, der auch DFB-Partner ist. Özil nennt Mercedes nicht beim Namen, konkretisiert aber so, dass keine Zweifel bleiben. Er sei aus der Kampagne genommen worden, weil das Unternehmen nicht mehr mit ihm in Verbindung gebracht werden wollte.

„Ironisch“ nennt Özil das, weil es sich doch um jene Firma handele, die „unautorisierte Software“ gebrauche, „die das Risiko für den Kunden erhöhe. (...) Während ich kritisiert und vom DFB aufgefordert wurde, meine Handlungen zu erklären, gab es keine solche offizielle und öffentliche Aufforderung an den DFB-Sponsor. (...) Was sagt der DFB zu alldem?“

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