Quimper. Nächster Etappensieg für Weltmeister Peter Sagen vom deutschen Team Bora-hansgrohe. Das Gelbe Trikot bleibt weiter in belgischer Hand.

„Peter!“, rief Marcus Burkhardt, „Peter!“ Bevor sein Teamkollege in den Interviewmarathon gehen sollte, wollte der deutsche Radprofi noch etwas loswerden: eine kräftige Umarmung für den Etappensieger, für einen wahnsinnigen Mann auf dem Rad. „Er überrascht mich jedes Mal wieder. Ich meine, das war echt eine schwere Ankunft heute“, sagte der 35-Jährige von Bora-hansgrohe.

Sagan bricht Zabel-Rekord

Peter Sagan hat es wieder getan. Die 204,5 Kilometer lange Etappe von Lorient nach Quimper war eine stete Auf- und Abfahrt mit fünf Bergwertungen. Unmittelbar vor dem Ziel bot die Strecke noch eine Steigung mit einer engen Kurve. Sagan, der schon die zweite Etappe gewonnen hatte, schaute sich wiederholt um, wartete, und zog genau im richtigen Moment den finalen Sprint an.

Der 28-jährige Slowake feierte den Sieg – und einen Rekord. An diesem Donnerstag auf der sechsten Etappe von Brest nach Mur-de-Bretagne Guerledan wird er das Grüne Trikot zum 90.-mal tragen. Bisheriger Rekordhalter mit 89 Tagen: Kein geringerer als Erik Zabel.

Spaßvogel Sagan reagierte darauf auf seine Art – absolut abgeklärt. „Well“, sagte er typisch langgezogen, „Dann habe ich ja wenigstens eine Bestmarke.“ Schließt er die Tour im Grünen Trikot zum sechsten Mal ab, zieht er mit Erik Zabel gleich.

Fast zu cool für den Radsport

„Er trägt wahnsinnig viel Verantwortung. In jedem Rennen hat er Druck. Das händelt er super, er gibt es nie ans Team weiter. Das macht ihn besonders“, sagte Burkhardt. Besonders ist ein fast zu schwaches Wort für Sagan. Der Slowake begann seine Radsportkarriere so unkonventionell, wie sie es heute im Jahr 2018 immer noch ist. Auf einem Supermarkt-Fahrrad für Mädchen gewann er eines seiner ersten Rennen. Später fuhr er gerne, ob auf dem Mountainbike oder dem Rennrad, in Tennisschuhen und T-Shirt. Eine frühe Extravaganz, der er bis heute treu geblieben ist.

Bei der ersten Pressekonferenz vor dem Tour-Start trug der dreimalige Weltmeister eine übergroße Goldkette mit Kreuz. Er kann fließend englisch sprechen, doch seine Aussprache hat er mit einem harten Südstaaten-Akzent versehen. Seine Sätze beginnt er meist mit einem lauten „Oh, well...“. Danach kommt das, was er bei jedem Auftritt ausstrahlt: eine ansteckende Gelassenheit. Auf die Frage, ob er sich seit der Geburt seines Sohnes Marlon Ende 2017 verändert habe, sagt er: „Ich lebe im Moment.“ Auf die Frage, was er von den jungen aufstrebenden Fahrern halte: „ Oh well. Jedes Jahr kommen neue Fahrer.“

Peter Sagan ist fast zu cool für den Radsport, für das Metier der akribischen Taktiker und Körper-Analysten. „Es ist nur Radsport“, sagt er gerne. Doch sein Jugendtrainer Peter Zanicky kennt eine andere Seite. Vor den Kameras wirke er nach Niederlagen abgeklärt „aber später im Hotelzimmer, hinter verschlossenen Türen, kann nicht mal seine Frau Katarina mit ihm sprechen“. Dann soll in ihm der Ehrgeiz lodern. Dann soll Peter Sagan nicht mehr der James Dean ohne Zigarette sein, sondern ein Sportler, der besser sein will, als der Rest der Welt.

Degenkolb: "Sagan der Favorit"

Dieser Peter Sagan ist auch in diesem Jahr wieder der herausragende Fahrer. „Er ist der absolute Top-Favorit“, sagt der deutsche Trek-Profi John Degenkolb. „Er kann auch in den Bergen Punkte holen, wo andere chancenlos sind.“

Allerdings provoziert Sagan mit seinen Manövern gelegentlich die Konkurrenz. Auf der zweiten Etappe sah sich Degenkolb behindert und fluchte: „Wieder etwas, was nicht in ein Sprintfinale gehört.“

Im Vorjahr wurde Sagan disqualifiziert, als er mit Mark Cavendish zusammenstieß. Den später revidierten Bann empfanden viele Fahrer als zu hart. Sie dachten an die sportliche Fairness. Aber Fakt ist auch, dass eine Tour ohne Sagan weniger spektakulär ist.