St. Petersburg. Im ersten Halbfinale der Fußball-WM trifft Frankreich auf Belgien. Belgiens Torjäger Romelu Lukaku hat vielfältige Fähigkeiten.

Mitunter genügen kurze Momente, um einen Menschen sympathisch zu finden. So geht es Romelu Lukaku häufiger, wenn er irgendwo auftritt. Und dazu muss er nicht einmal mit dem Ball am Fuß übers Feld stürmen oder ein Tor schießen. Sympathiewerte sind auch bei einer Pressekonferenz zu steigern, wenn sie von den Protagonisten nicht als Pflichtübung angesehen werden.

Dieser Tage kam der 1,90-Meter-Mann, der bisher vier Tore bei der WM erzielt hat und die belgische Nationalmannschaft an diesem Dienstag im Halbfinale gegen Frankreich (20 Uhr/ARD) ins Endspiel der Weltmeisterschaft schießen soll, mit einer tief ins Gesicht gezogenen Kappe in den Medien-Raum der Kasan-Arena. Der Mittelstürmer wartete auf die Fragen.

Head-to-Head: Frankreich vs. Belgien

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    Der Fifa-Presse-Mitarbeiter erklärte, in welchen Sprachen der Spieler angesprochen werden konnte. Kanal eins: English. Kanal zwei: Russkiy. Kanal drei: Português. Kanal vier: Français. Kanal fünf: Nederlands. Vor dem 25-Jährigen lag ein Kopfhörer. Lukaku ließ das Utensil, das fast alle Anwesenden hinters Ohr geklemmt hatten, einfach liegen. In der Gewissheit: Das werde ich schon nicht brauchen. Was dann passierte, war beinahe so beeindruckend wie sein Beitrag zum 2:1-Viertelfinalsieg gegen Rekordweltmeister Brasilien.

    Lukaku ist ein Sprachgenie in Stollenschuhen

    Lukaku beantwortet alle Fragen ohne Dolmetscher. „Nichts ist einfach im Leben, wenn man etwas erreichen will“, richtete er lächelnd auf Englisch aus. Nächste Frage, nächste Sprache. Auf Französisch: „Das nächste Spiel wird noch schwieriger.“ Weiter ging es auf Niederländisch, dann auf Portugiesisch. Als der Vorhang fiel, wäre für das Sprachgenie in Stollenschuhen fast Applaus aufgebrandet.

    Ein Franzose auf der falschen Seite: Henry trainiert Lukaku

    Romelu Lukaku ist ein Stürmer, gegen den kein Abwehrspieler der Welt gerne spielt. Bei dieser WM profitiert der athletische Angreifer auch von den Tipps des Stürmertrainers der belgischen Nationalmannschaft. Auch der Assistent von Trainer Roberto Martinez war einer, der zu seiner großen Zeit im Weltfußball Maßstäbe setzte: Thierry Henry, der Rekordtorschütze Frankreichs, der in einem Team mit Frankreichs Trainer Didier Des­champs 1998 Weltmeister und 2000 Europameister wurde. Henrys Beteiligung bringt daher ganz besondere Brisanz in das ohnehin schon brisante Halbfinale der beiden Nachbarn.

    „Ich möchte ihm zeigen, dass er aufs falsche Pferd gesetzt hat“, sagt Frankreichs Stürmer Olivier Giroud. Die französische Sportzeitung L’Equipe titelte: „Wir haben uns so sehr geliebt.“ Der Unterton sagte: Diese Zeiten sind vorbei.

    In Frankreich wird Thierry Henry, mittlerweile 40 Jahre alt, durchaus kritisch gesehen. Dem früheren Top-Stürmer des FC Arsenal und des FC Barcelona wird mangelnde Nähe zu seinem Heimatland vorgehalten. Er lebt in London, jettet durch die Welt. Und will sich heute für Belgien freuen. (fs)

    Die in jeder Hinsicht imposante Ausnahmeerscheinung im belgischen Sturm, als Sohn kongolesischer Eltern in ärmlichen Verhältnissen in der belgischen Hafenstadt Antwerpen aufgewachsen, hat einmal erzählt, dass ihm diese Gabe wohl in die Wiege gelegt wurde. Er lerne rasch vom Zuhören.

    Der kräftige Angreifer von Manchester United verkörpert auch auf dem Fußballfeld wie kein anderer die vielfältigen Talente des Titelanwärters Belgien. Sein 74. Länderspiel heute wird ein schwieriges, in St. Petersburg kommt es zu einer finalwürdigen Konstellation. Wird es der nächste Akt, in dem Lukaku der Welt imponiert? Was er am Freitag gegen Brasilien anstellte, war gar nicht hoch genug zu bewerten. Wie eine große Welle, die Menschen mit bloßen Händen im Meer stehend auch nicht stoppen können, war er über die Seleçao hereingebrochen.

    Profivertrag beim RSC Anderlecht mit 16

    Nur einmal rannte der Star mit dem Ball am Fuß direkt ins Toraus. Da hatte er zu viel gewollt. Ansonsten befolgte Romelu Lukaku genau den Plan, den ihm Trainer Roberto Martinez mitgegeben hatte: nicht immer selbst den Abschluss suchen, sondern die entscheidenden Schneisen reißen. Die Vorarbeit zum 2:0 von Kevin De Bruyne war sein Meisterstück. Und die Belohnung für einen langen Anlauf.

    Schon früher auf dem Bolzplatz spielte er nicht nur mit Wut im Bauch, sondern auch mit einem Ziel: „Ich war auf einer Mission. Jedes Spiel, das ich gespielt habe, war für mich ein Endspiel. Ich bin der stärkste Typ, den du jemals treffen wirst. Weil ich mich erinnere, wie ich mit meinem Bruder und meiner Mutter im Dunkeln saß und unsere Gebete sprach.“ Als Zwölfjähriger benutzte er die Schuhe seines Vaters, als 16-Jähriger bekam er einen Profivertrag beim RSC Anderlecht.

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    Schon im März 2010 durfte er im Nationalteam debütieren. Damals war er noch nicht einmal 17 Jahre alt. Acht Jahre später ist an ihm gut die Entwicklung von Belgiens Auswahl abzulesen. Und er ist der Mann, dem man zutraut, dass er heute den Unterschied ausmachen kann. Man würde sich bei ihm ja nicht einmal mehr wundern, wenn er künftig auch noch Fragen auf Russisch beantworten würde.