London. Schon jetzt hat Jan-Lennard Struff etwas Historisches in Wimbledon geleistet. Sein Comeback-Rekord wird ihm gegen Federer wenig nützen.

Die Füße hochlegen und alle Kraft sammeln für das Match seines Lebens – das hätte Jan-Lennard Struff am Donnerstag gern getan. Stattdessen musste der 28-Jährige aus Warstein, der bei den All England Championships in Wimbledon an diesem Freitag in seinem Drittrundenmatch Titelverteidiger Roger Federer herausfordert, zum Doppel antreten. Mit seinem Partner Ben McLachlan (26), einem in Neuseeland geborenen Japaner, zog er dank eines 6:4, 7:5, 6:4-Sieges gegen Nicholas Monroe (USA) und John-Patrick Smith (Australien) in die zweite Runde ein.

„Ich bin froh, dass es in drei Sätzen durch war. Ich spüre die langen Einzelmatches schon“, sagte der Weltranglisten-64., der am Mittwochabend einen Sieg mit historischer Note gefeiert hatte. Nicht nur, dass er das Aufschlaggewitter des Kroaten Ivo Karlovic (39), der 61 Asse servierte, nach 3:55 Stunden mit 6:7 (5:7), 3:6, 7:6 (7:4), 7:6 (7:4), 13:11 siegreich überstand und dadurch erstmals in seiner Karriere die dritte Runde eines der vier Grand-Slam-Turniere erreichte. Er ist auch erst der dritte Spieler in der Open Era (Zulassung von Profispielern 1968), der in Wimbledon zweimal innerhalb desselben Turniers einen 0:2-Satzrückstand noch in einen Sieg drehen konnte. Vor ihm hatten dies nur der US-Amerikaner Charlie Pasarell (1976) und der Neuseeländer Russell Simpson (1982) geschafft.

„Ich war nach dem Doppel im Eisbad, den Rest des Tages werde ich entspannen“, sagte Struff, der noch nicht alle Nachrichten beantworten konnte, die nach dem Sieg über Karlovic auf seinem Mobiltelefon gelandet waren. Mit seinem Vater Dieter, der bereits in London ist, konnte er immerhin in Ruhe sprechen. Mutter Martina reiste am Donnerstagabend an.

An diesem Freitag will Struff nun an seiner persönlichen Grand-Slam-Geschichte weiterschreiben. Ein Sauerländer gegen die Weltmacht Federer, das ist für den Daviscupspieler eins der größten Erlebnisse seiner Karriere. „Wenn ich für Deutschland im Daviscup spiele, ist das auch etwas sehr Großes. Aber in Wimbledon, hoffentlich auf dem Centre-Court, gegen den größten Tennisspieler aller Zeiten antreten zu dürfen, das habe ich mir schon gewünscht, als ich die Auslosung gesehen habe“, sagte er.

Struff ist glühender Anhänger des BVB

Mehr als Außenseiterchancen rechnet dem 1,96 Meter langen Schlaks niemand zu gegen den 36 Jahre alten Maestro aus der Schweiz, der mit zwei lockeren Dreisatzsiegen über den Serben Dusan Lajovic und den Slowaken Lukas Lacko in die dritte Runde geschwebt war. Federer, der die Sandplatzsaison ausgelassen hatte, wirkt in seinem Wohnzimmer, wo er bereits achtmal den Titel gewann, so ausgeruht und geschmeidig wie gewohnt auf seinem Lieblingsbelag. Dennoch will Struff, glühender Anhänger von Borussia Dortmund, nicht in Ehrfurcht erstarren. „Es ist jetzt nicht so, dass ich mit Runde drei zufrieden bin. Ich will mehr! Ich werde mit einem guten Plan in das Match gehen und versuchen, ihn in Bedrängnis zu bringen“, sagte er.

Bei den Australian Open gab es im Januar dieses Jahres schon einmal das Duell Federer gegen Struff. Der Schweizer siegte 6:4, 6:4, 7:6 (7:4), „dennoch habe ich ihn ein paarmal unter Druck gebracht. Daraus schöpfe ich Selbstbewusstsein“, sagte Struff, der an das bislang einzige Duell auf Rasen, ein 4:6, 6:7 (3:7) 2016 in Halle (Westfalen), weniger gern zurückdenkt. „Da habe ich bei seinem Aufschlag nur eine Handvoll Punkte gemacht. Das muss diesmal besser werden.“

Zur Motivation schaute er sich am Donnerstag Videos von Dustin Browns Zweitrunden-Sensationssieg gegen Rafael Nadal 2015 an. „Zu sehen, wie er den großen Favoriten auf dem Centre-Court besiegt, das gibt mir positive Emotionen.“