Sankt Petersburg. Nur Ronaldo überzeugte für Portugal bisher bei dieser WM. Gegen den Iran muss sich der Europameister steigern. Doch das wird schwer.

Wenn es nach den Simpsons geht, kann nichts schiefgehen für Cristiano Ronaldo und sein Land. 1997 wurde in dem Serienklassiker vorhergesagt, dass sich Portugal und Mexiko dereinst in einem WM-Finale begegnen. Dass es das von 2018 sein wird, legt der Beginn der entsprechenden Episode nahe, bei dem ein mexikanischer Spieler im Jacuzzi von Eskortmädchen umringt wird. Die Prophezeiung ist ernst zu nehmen: unter anderem antizipierten die Simpsons schon Jahre vorher den Präsidenten Trump, den Terroranschlag des 11. Septembers und Brasiliens Fußballblamage gegen Deutschland.

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    Das Endspiel also, und auf dem Weg dorthin geht es für die Portugiesen heute erst mal gegen den Iran um den Einzug ins Achtelfinale. Ein Punkt genügt sicher, das sollte nicht so schwer werden für den amtierenden Europameister. Oder doch? Trainer Fernando Santos berichtet, er habe den Gesprächen der Spieler untereinander das Bewusstsein dafür entnommen, was er selbst sowieso vermutet: „Es wird eine ganz harte Partie.“

    „Wir können nur besser werden“

    Portugal hadert zum einen noch mit sich selbst. Gegen Spanien (3:3) punktete es nur dank epochaler CR7-Show, beim 1:0 gegen Marokko brauchte es viel Glück. „Wir können nur besser werden“, räumte Innenverteidiger José Fonte danach ein. Santos nannte insbesondere die schwache Angriffsleistung „unerklärlich. Im Training sehe ich eine fröhliche Mannschaft voller Selbstvertrauen, und in den Spielen dann nichts davon.“

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    Das zweite Problem ist der Gegner. „Die werden wie verrückt kämpfen“, vermutete Fonte schon, bevor man sich gemeinsam die Partie der Iraner gegen Spanien (0:1) zu Gemüte führte und davon tief beeindruckt war. Einen „Alarmruf für alle“ nannte sie Santos.

    Der Mann, der für ihn verantwortlich ist, heißt Carlos Queiroz und ist selbst Portugiese. Einst entwickelte er die „Goldene Generation“ um Luís Figo und Rui Costa, die er 1989 und 1991 zum Gewinn der Junioren-WM führte. Danach übernahm er zwischen 1991 und 1994 die A-Mannschaft, die er auch von 2008 bis 2010 betreute. Santos kennt ihn, seit er 1983 als Spieler unter dem Co-Trainer Queiroz beim Erstligisten Estoril kickte. „Er ist mein Freund, und wird es auch weiter bleiben“, sagt er. Aus dem aktuellen Kader arbeiteten unter Queiroz noch Abwehrchef Pepe, die Ersatzspieler Beto und Bruno Alves sowie Cristiano Ronaldo; dieser zuvor auch schon bei Manchester United, wo er Assistent von Alex Ferguson war.

    Defensiv-Künstler Queiroz

    Der nach wie vor attraktive Mittsechziger ist ein wandelndes Kompendium des Fußballs. Von Beginn an näherte er sich ihm auf wissenschaftlicher Ebene. 1982 präsentierte er an der Technischen Universität Lissabon die erste Diplomarbeit, die sich mit der Methodologie des Fußballtrainings beschäftigte. „Seine Einheiten waren perfekt“, erinnerte sich jetzt Ex- Manchester-Profi Patrice Evra: „Ohne ihn war United taktisch nicht mehr dasselbe.“

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    2011 übernahm Queiroz den Iran und schuf mit der Nationalmannschaft ein kleines Meisterwerk. Wohl keine Mannschaft bei diesem Turnier verteidigt so gekonnt und aufopferungsvoll wie diese international weitgehend unbekannte Auswahl. In der Asien-Qualifikation überstand sie neun der letzten zehn Spiele ohne Gegentor, in Russland wurde sie bisher nur von einem Zufallstreffer durch Spaniens Diego Costa bezwungen. „Wir sind nicht hier, um nette Verlierer zu sein“, sagte Queiroz gestern. „Wir haben einen Traum und nichts zu verlieren. Portugal hat eine Pflicht und alles zu verlieren.“

    „Ich spiele lieber schlecht und gewinne gut“

    Wo er bei den Persern aus der Not eine Tugend machte, ließ er mit Portugal allerdings ähnlich defensiv kicken. Ronaldo erlebte unter ihm mit nur drei Toren in zwei Jahren seine dürftigste Epoche überhaupt. Bei der WM 2010 kassierte die Mannschaft zwar in vier Spielen nur ein Tor, blieb aber auch selbst dreimal ohne Treffer. Nach dem Ausscheiden bespuckte ein frustrierter Ronaldo eine TV-Kamera und vereinfachte in seinem einzigen Statement die Schuldfrage: „Reden Sie doch mit Queiroz!“. Der wurde dann zwei Monate später gefeuert, nachdem ihn die portugiesische Antidopingbehörde für sechs Monate sperrte, weil er während der WM die Kontrolleure beleidigt hatte.

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    Sein alter Freund Santos jedoch teilt mit ihm die Vorliebe für die Defensive. Will man verstehen, wie die einstigen Schönspieler Europas binnen einer Generation zu den Resultatskünstlern des Kontinents mutierten, landet man zwangsläufig beim Einfluss der portugiesischen Trainerschule. José Mourinho, ihr berühmtestes Exponat, ist ja auch nicht gerade für stürmischen Offensivfußball bekannt. „Ich erinnere mich an die Zeiten, als wir immer gut spielten und immer schlecht verloren“, zitierte Santos dieser Tage den Nationalspieler Remy Lopes: „Ich spiele lieber schlecht und gewinne gut.“

    In der Simpsons-Folge von 1997 fangen die Zuschauer übrigens aus Frust an zu randalieren – weil das Finale so langweilig ist.