Sotschi. Nach Kroos' Last-Minute-Tor zum 2:1 gegen Schweden kochten die Gemüter über. Szenen, die man nicht überbewerten sollte. Ein Kommentar.

Dass die Jubelszenen von DFB-Büroleiter Georg Behlau und TV-Koordinator Uli Voigt Richtung Schweden-Bank überzogen und damit überflüssig waren: geschenkt. Aber der schwedische Trainer Janne Andersson ist der letzte, der sich darüber beschweren sollte.

Während des Spiels ließ er keinen Moment aus, den guten polnischen Schiedsrichter Marciniak mit wilden Gesten zu beeinflussen und sogar zu Gelben Karten zu animieren. Bei Jerome Boateng hatte er Erfolg: Nach einigem Zögern schickte der Schiedsrichter den Deutschen vom Platz.

Entladung nach Kroos' Tor

Wenn also die Schweden mangelnden Respekt bei ihrem Gegner beklagen, dann ist das an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Was nach Schlusspfiff passierte, war ein Ausbruch von Emotion, wie es halt in einem spannungsgeladenen Krimi passieren kann.

Für den Weltmeister ging es ja nicht allein um ein zweites WM-Spiel, das gewonnen werden musste. Hier stand nicht weniger als das Vermächtnis einer erfolgreichen Spielergeneration auf dem Spiel. Noch nie ist Deutschland in einer WM-Vorrunde ausgeschieden.

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Das Kroos-Tor in allerletzter Sekunde entlockte alles an Gefühlen, was die deutsche Mannschaft, und dazu gehört der Betreuerstab, 90 Minuten lang aufgestaut hatte. Auch die Wut auf die ständigen Reklamationen auf der benachbarten Trainerbank.

So etwas ist nicht schön. So etwas sollte nicht sein. Es passiert trotzdem. Die Schweden haben Deutschland mit ihrem Anti-Fußball an den Rand des Abgrunds getrieben. Die destruktive Spielweise mitsamt Schiri-Beeinflussung ist zwar legitim.

DFB-Team hat einen guten Ruf

Aber sie regt jeden Gegner und Fan furchtbar auf. Von der Kreisliga bis zur Weltmeisterschaft in Russland. So what? Niemand wurde persönlich beleidigt, niemand körperlich angegriffen, sondern nach allem, was man inzwischen weiß, nur ein bisschen provoziert.

Das DFB-Team steht ja nun wirklich nicht im Ruf, respektlos mit Gegnern umzugehen. Wir erinnern uns an das WM-Halbfinale gegen Brasilien vor vier Jahren. Die Löw-Truppe hätte den taumelnden WM-Gastgeber beim 1:7 mit weiteren Toren und Mätzchen demütigen können.

Hat das DFB-Team aber nicht. 2006 war das noch anders. Da hatte sich Torsten Frings im WM-Viertelfinale in Berlin mit einem Kinnhaken gegen einen Argentinier behaupten wollen. Er wurde deshalb fürs Halbfinale gegen Italien gesperrt. Und das: zu recht. So ein Fall liegt hier nicht vor.

Bierhoff-Entschuldigung auf Twitter

DFB-Direktor Oliver Bierhoff hat sich umgehend und persönlich bei den Schweden entschuldigt. Auf Twitter schickte der Deutsche Fußball-Bund ein öffentliches Sorry hinterher. Damit sollte es auch gut sein. Beide Mannschaften haben am Mittwoch ein schweres Spiel.

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Man sollte jedenfalls aus der Lappalie keine Staatsaffäre machen und es lieber mit dem Humor nehmen, den ein User im Internet schrieb: „Jetzt wissen die Schweden, wie es sich anfühlt, wenn man den Schrank fast aufgebaut hat — und dann doch eine Schraube fehlt.“

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