Erfurt. Das Naturkundemuseum Erfurt wird 100. In den Jahren kamen Tausende Stunden Forschungsarbeit zusammen. Mehr als eine Million Insekten werden in dem Haus unweit des Erfurter Doms gelagert.

Uhu, Hase, Elefant und Haubenperlhuhn sind nur einige der Tiere, die seit Freitag unter dem Motto "Tierporträts - Zeichnungen von Helene Rimbach" im Erfurter Naturkundemuseum zu bewundern sind. Es ist der Ausstellungsauftakt im 100. Jubiläumsjahr des Hauses.

Hinter der Wand, an der die Zeichnungen hängen, verbirgt sich allerdings noch eine ganz andere Welt. Eine, die das Museum seinen Gästen ebenfalls zeigt. Hinter einer versteckten Tür geht es nämlich in das eigentliche Herz des Museums - zu den Sammlungen und Präparationsräumen.

Rund 1,1 Millionen Insekten, darunter alleine rund eine Million Käferarten, finden sich hier auf rund 1000 Quadratmeter. Alles, was kreucht und fleucht - fein säuberlich nach Arten sortiert in Archivschränken und Sammelboxen. Auf dem Schreibtisch, hinterm Schreibtisch und selbst in den Fluren. "Wir platzen aus allen Nähten", sagt Andreas Heuer. Auf seinem Schreibtisch liegen aktuell die sogenannten Blutströpfchen, schwarze Schmetterlinge mit roten Punkten.

Heuer ist Teil des zehnköpfigen Museumsteams, das sich um die Dokumentation der Krabbler und Flatterer kümmert. Seine Aufgabe ist es rauszufinden, wo das Tier gefunden wurde, wo es einzuordnen ist, und es dann entsprechend ordentlich in die Sammlungskästen einzusortieren.

Fragen immer erlaubt

Trotz der vollen Räume ist Museumsdirektor Matthias Hartmann offen. "Man kann immer herkommen und fragen, was das denn für ein Tier ist, das man da hat", sagt er. Sei es die tote Fliege auf dem Fensterbrett oder die merkwürdige Motte im Garten. "Manchmal ist es was Gutes, manchmal Allerweltszeug." Im Sommer kommen die Leute laut Hartmann gerne mit wunderlichen Wanzen.

Besonderes Interesse hat der Insektenforscher an toten Hummeln. In Erfurt habe es nachweislich mal 25 Hummelarten gegeben, aktuell ließen sich nur 14 nachweisen. Während der Pandemie neu entdeckt wurde von einem Kollegen eine Käferart. Sie ist nun für die Wissenschaft beschrieben und heißt fortan "Corona-Käfer".

Große Ausstellung in der Kunsthalle am Fischmarkt

Der 100. Geburtstag des Naturkundemuseums Erfurt soll unter anderem mit einer großen Ausstellung in der Kunsthalle am Fischmarkt und das Jahr über am eigenen Standort gefeiert werden. Im Mittelpunkt der Hauptausstellungen stehen die umfangreichen Sammlungs- und Museumsarbeiten seit der Gründung.

Vor allem die großen Tiere sind es, die die kleinen Besucherinnen und Besucher in der Ausstellung fesseln, sagt Lehrerin Lisa Bachmann. "Das Wildschwein etwa sieht auf dem Beamer in der Schule ganz klein aus. Das beeindruckt eher, wenn es dann hier neben ihnen steht." Die Biologielehrerin vom Evangelischen Ratsgymnasium in Erfurt kommt regelmäßig mit den Kindern der fünften und sechsten Klasse her. Die Schule ist nur zwei Straßen entfernt vom Museum. "Da wir kostenlos und unkompliziert reinkommen, machen wir das eigentlich gerne - auch fürs Zeichnen im Kunstunterricht."

Gorilla aus Saarbrückener Zoo wird Exponat

Was die Kinder häufig abschreckt, ist laut Bachmann, dass die Tiere tot sind. "Die haben dann Angst, dass es ihnen schlecht ging", erzählt sie, während mehrere Kleingruppen mit ihren Fragebögen um sie herum durch die Ausstellung wuseln. Doch die Angst kann genommen werden. "Alle unsere Ausstellungstiere sind zuvor eines natürlichen Todes gestorben oder mussten krankheitsbedingt eingeschläfert werden", beruhigt Museumsdirektor Hartmann. Lediglich ein Bärenfell sei auf einen Wilderer zurückzuführen. Es wurde vom Zoll konfisziert; der Wilderer bekam seine Strafe - und das Museum das Fell.

Der Gorilla, der gerade in der Präparationswerkstatt in Arbeit sei, starb vor zwei Jahren in Saarbrücken im Zoo. In diesem Jahr soll er erstmals präsentiert werden. Dafür arbeiten die Präparatoren, "echte Künstler", wie Hartmann sie nennt, aktuell an der passgenauen Form über die das Fell gezogen werden kann.

"Unsere Magazine quellen über"

Könnten auch die kürzlich gestorbenen Breitmaulnashörner des Erfurter Zoos hier landen? "Als Ausstellungsobjekte wären sie toll. Wir würden sie gerne nehmen. Aber unsere Magazine quellen über", sagt Hartmann. Und dann wäre da noch ein Problem: An einem Samstagabend im Jahr 2011 wurde das Naturkundemuseum von Dieben heimgesucht. Die unbekannten Täter raubten ein Horn von einem Nashorn und eine Elfenbeinschnitzerei. Seitdem werden alle Nashornhörner im Panzerschrank gelagert. Und für weitere ist hinter dieser Geheimtür kein Platz.

Weitere geplante Ausstellungen:

"Faszinatur - 100 Jahre Naturkundemuseum Erfurt": 10.06. bis 23.10.2022, Ausstellungsort: Kunsthalle Erfurt

"Geschichte und Geschichten - 100 Jahre Naturkundemuseum Erfurt": 01.07. bis 13.11.2022, Ausstellungsort: Naturkundemuseum Erfurt

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