Wernigerode/Tangermünde. Wer auf der Autobahn unterwegs ist, kennt sie - die braunen Hinweistafeln, die für touristische Ziele werben. Im Harz etwa werben Hexen für einen Abstecher. Ein Forscher hat sich Gedanken gemacht, was künftig an der A14 in der Altmark taugen könnte.

Hexen im Tiefflug? An der Autobahn 36 im Harz begegnen dem Kraftfahrer am Fahrbahnrand seltsame Gestalten. Sie dienen als Lockmittel, um unbedarfte Reisende vom Weg abzubringen.

Doch keine Sorge. Hier führt niemand Böses im Schilde. Die touristischen Unterrichtungstafeln, so die offizielle Bezeichnung der braunen Schilder, sind eine wichtige Informationsquelle, die von vielen genutzt wird.

Touristische Hinweistafeln seit den 1950-er Jahren

Sven Groß, Professor für Management von Verkehrsträgern an der Hochschule Harz, hat die Anzahl bundesweit erfasst und ihre Wirkungen untersucht. Dabei nahm er Wahrnehmung und Effekte, wie das Entscheidungsverhalten, wissenschaftlich unter die Lupe. Hinweistafeln auf touristische Ziele stehen an Deutschlands Fernstraßen seit den 1950-er Jahren. In den 1980-er Jahren wurde ihr Erscheinungsbild in der Richtlinie für die touristische Beschilderung (RtB) definiert.

Mehr als 3400 gibt es heute davon bundesweit. In Sachsen-Anhalt weisen fast 150 Tafeln an den rund 600 Autobahnkilometern auf touristische Ziele hin. Demnächst dürften einige hinzukommen. Mit der A14-Nordverlängerung bietet sich auch für die Altmark die Chance, auf diese Weise für touristische Anziehungspunkte zu werben.

Bisher seien noch keine Standorte für solche Tafeln festgelegt, sagt Steffen Kauert, Leiter der Außenstelle Magdeburg der Autobahn GmbH und damit zuständig für die Beschilderung der neuen Strecke. Sollte es entsprechende Anfragen geben, werde das unbürokratisch geregelt.

Maximal zwei zwischen zwei Anschlussstellen

Konkrete Pläne, ein solches Schild aufstellen zu lassen, gibt es bereits in Tangermünde. Auftraggeber sind Kommunen, Tourismusverbände oder Unternehmen. Sie tragen auch die Kosten, die zwischen 8000 und 15.000 Euro liegen. In der Richtlinie sind die technischen Details der als Zeichen 386.3 geführten touristischen Hinweistafeln festgelegt. Maximal zwei davon sollten zwischen zwei Anschlussstellen stehen. Die dargestellte Sehenswürdigkeit soll maximal zehn Kilometer Luftlinie entfernt sein. Über die Genehmigung entscheidet die jeweilige Verkehrsbehörde.

Für die Beschilderung der Altmark-Autobahn empfiehlt Groß nach dem Grundsatz "Weniger ist mehr" vorzugehen. Es sei besser, auf einige prägnante Sehenswürdigkeiten hinzuweisen, als beispielsweise für jede schöne Kirche ein eigenes Schild aufzustellen. Die Kaiserstadt Tangermünde, der Arendsee oder die Colbitz-Letzlinger Heide böten sich unter anderem dafür an. Auf letztere verweisen zwar bereits Schilder an der A2. So weit vom eigentlichen Ziel entfernt mache das jedoch wenig Sinn.

Regionales Erkennungsmerkmal für die Altmark

Auf jeden Fall gehöre die Hansestadt Stendal auf die Liste, sagt Groß. Hier sollte nicht nur der Dom dargestellt werden, sondern es auch einen Hinweis auf den berühmtesten Sohn der Stadt geben. Johann Joachim Winckelmann, Begründer der klassischen Archäologie und modernen Kunstwissenschaft, sei zwar nicht jedem bekannt. Über diese Verknüpfung ließe sich das Thema aber einer größeren Zielgruppe näherbringen. Eine entsprechende App, die weiterführende Informationen bietet, sei bereits auf dem Markt. Ähnlich wie im Harz schlägt der Professor auch für die Altmark ein regionales Erkennungsmerkmal vor.

Im Harz fungieren die Hexe und der Brocken als verbindendes Symbol der Tourismusregion. Sie sind daher auf vielen Schildern zu finden. Nicht immer sind es Regionen (Magdeburger Börde, A2), Sehenswürdigkeiten (Schloss Hundisburg, A2) oder andere klassische touristische Ziele (Burg Querfurt, A38), die so auf sich aufmerksam machen. An A36 und A38 weisen die Harzer Schmalspurbahnen auf ihr Unternehmen hin. An der A39 wirbt VW für seine Autostadt.

Schilder kommen gut an

Es scheint zu funktionieren. Knapp 17 Prozent der 1100 von Groß für seine Studie Befragten gaben an, aufgrund einer solchen Hinweistafel schon mal spontan die Autobahn verlassen zu haben. Zwei Drittel erklärten, sich an solche Tafeln erinnern zu können. Bei einem Drittel weckten sie die Neugier, das dargestellte Ziel später einmal zu besuchen. Jeder Fünfte sieht die Schilder ausdrücklich positiv, findet sie interessant, hält sie für eine gute Idee und hilfreich. Nur sechs Prozent der Befragten verbanden mit den Tafeln negative Gedanken und sie bezweifelten den Sinn oder kritisierten die damit verbundenen Kosten.

"Die touristischen Hinweistafeln bringen etwas", fasst der Wissenschaftler das Ergebnis seiner Studie zusammen. Ihre Bedeutung würde angesichts des sich durch Corona verändernden Reiseverhaltens noch wachsen. Immerhin fahre laut Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen ein Großteil der Deutschen mit dem Auto in den Urlaub. Dass die neue Autobahn Touristen abschrecken könnte, die Altmark zu besuchen, glaubt Groß daher nicht. Die Erreichbarkeit spiele bei den meisten bei der Urlaubsplanung eine wichtige Rolle.

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