Lauenburg. Wer sich für die Geschichte der Schifffahrt begeistert, ist in Lauenburg an der Elbe richtig. Und wer das noch nicht tut, der wird nach einem Besuch des schmucken Städtchens soweit sein.

Eine Tagesreise brauchten die Kaufmannswagen im Mittelalter von Lüneburg nach Lauenburg. Mit Salz für Skandinavien und Russland beladen, folgten die Fuhrleute der Salzstraße, dem uralten Handelsweg nach Lübeck.

Am Abend kehrten die Männer in Lauenburg ein. An der Elbe fanden sie Gasthäuser vor, wechselten die Pferde und blieben über Nacht, bevor sie in aller Herrgottsfrühe mit der kostbaren Fracht weiterzogen.

Mittelalterliches Ambiente

Wer heutzutage von der Bundesstraße 5 zur 70 Meter tiefer gelegenen Unterstadt abbiegt, der taucht ein in die Vergangenheit des über 700 Jahre alten Städtchens. Rote Ziegeldächer auf farbenfrohen Fachwerkhäusern, dicht an dicht zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert errichtet. Jeder Quadratmeter am schmalen Uferstreifen vor dem Steilhang des Geestrückens wurde genutzt.

An der Elbstraße drängen sich historische Gebäude. Die reich verzierten Fassaden mit ihrem Rosettenschmuck sind steinerne Zeugen des Reichtums ihrer Erbauer: Handwerker, aber vor allem Elbschiffer bewohnten die Fachwerkbauten.

Manche Häuser waren nicht nur Wohnraum, sondern zugleich Arbeitsplatz. Schuster und Schlosser hatten dort Werkstätten, Reedereien ihre Kontore. Brauereien und Schnapsbrennereien stellten Gerstensaft und Hochprozentiges her. Erzählungen zufolge soll es um 1700 etwa 30 Brauereien gegeben haben - bei nur 1000 Einwohnern.

Wo Schifffahrt lebendig wird

Fahrradtouristen rollen über holpriges Kopfsteinpflaster, unterwegs sind sie auf dem Elberadweg zwischen Tschechien und der Flussmündung bei Cuxhaven. Lauenburg gilt als beliebter Zwischenstopp, auch für den Besuch des Elbschifffahrtsmuseums.

Dort wird Schifffahrtsgeschichte eindrucksvoll lebendig, auf interaktiven Bildschirmen, mit Modellen und Bauplänen vom Altertum bis in die Gegenwart, von den Einbäumen über Frachtensegler und die Schwerstarbeit der Treidler, die tonnenschwere Lastkähne mit Muskelkraft stromaufwärts zogen.

Auf einer Schautafel ist notiert: "Sie keuchten, der Schweiß floss wie ein Bach zwischen den Schulterblättern hinunter. Er fraß die Hemden kaputt wie ein Nagetier."

Rasselnde Revolution

"Die Entwicklung Lauenburgs und der Schifffahrt auf der Elbe sind eng verbunden mit der sozialen Struktur der Menschen und der Arbeitskultur", erläutert Museumsleiter Jörn Bohlmann.

In dem Museum gibt es Überraschendes zu entdecken. Wer weiß heute schon noch, das ab 1866 eine 720 Kilometer lange Kette ab Hamburg stromaufwärts auf dem Grund der Elbe lag? Es war die Zeit der Seilkettenschifffahrt, die bis in die 1920er Jahre andauerte. 37 Kettendampfer verkehrten auf dem Fluss. Die Schlepper hangelten sich mit ihren Lastkähnen an der Kette entlang gegen die Strömung. Von "rasselnder Revolution" sprechen sie im Elbschifffahrtsmuseum.

Passagierschiffe dampften ab den 1850er Jahren im Liniendienst auf dem Fluss, 30.000 Reisende fuhren 1866 ab Lauenburg über Geesthacht nach Hamburg. Schiffsmodelle aus jener Zeit sind ausgestellt.

Dieselmotoren verdrängten zu Beginn des letzten Jahrhunderts nach und nach die Dampfmaschinen als Schiffsantriebe. Im Museumskeller sind historische Exemplare zu bestaunen, sorgsam restauriert von ehrenamtlichen Helfern des Fördervereins. Museumsleiter Bohlmann: "Unsere Schatzkammer für Technikfans."

Gute Geschäfte und große Gefahren

Noch in den 1950er Jahren machten die langen Schleppzüge von Hamburg stromaufwärts kommend über Nacht in Lauenburg fest. Für die Schiffsleute hatten die Läden an der Elbstraße bis Mitternacht geöffnet, manche Kneipen noch viel länger. Hafenatmosphäre im Binnenland. Die Geschäfte liefen gut in Lauenburg.

"Die Elbe ist für die Stadt Segen und Fluch", sagt die Stadtführerin Claudia Tanck. Bei ihrem Rundgang "Leben mit dem Hochwasser" wird das schnell deutlich. Verheerende Hochwasserfluten haben die Altstadt immer wieder bedroht. Tanck führt Besucher über die Uferpromenade bis zur Pegeltafel mit Markierungen der letzten Hochwasserstände. 2002, 2006, 2010/11 und zuletzt im Juni 2013 stand den Lauenburgern das Wasser buchstäblich bis zum Hals.

Ein Schiff mit Patina und Kohleantrieb

In der kleinen Stadt am Elbstrom gibt es heute noch Reedereikontore. Etwa 30 Lauenburger sind als Kapitäne, Steuerleute und Matrosen auf Flüssen und Kanälen unterwegs. Die 1885 gegründete Hitzler-Werft fertigt Hafenschlepper, Offshore-Versorger, Eisbrecher, Fähren, Küstenmotor- und Binnenschiffe.

Obwohl die Blütezeit als Schifferstadt vorüber ist, erinnern sie dort gerne an die Vergangenheit: mit dem Schaufelraddampfer "Kaiser Wilhelm" , Baujahr 1900. Der Schiffsveteran war zwar niemals auf der Elbe unterwegs, sondern befuhr die Weser mit Passagieren. 1970 sollte er abgewrackt werden, doch die Lauenburger kauften den Dampfer, retteten ihn vor der Schrottpresse und holten ihn auf die Elbe.

""Kaiser Wilhelm" ist einer der weltweit letzten noch mit Kohle befeuerten Raddampfer", erklärt Wilhelm Bischoff vom Förderverein des Elbschifffahrtsmuseums. Gerade wird das Schiff auf der Hitzler-Werft von den Vereinsmitgliedern umfassend restauriert. In der Nach-Corona-Zeit wollen sie mit einer ehrenamtlichen Besatzung erneut zu Passagierfahrten auf der Elbe ablegen.

Technik, die begeistert

Ein paar Hundert Meter weiter im Elektrizitätswerk pflegen Reinhard Lange und ein halbes Dutzend Helfer in ihrer Freizeit die alten Wasserräder, Turbinen, Dieselaggregate und Schalttafeln. "1921 ging die Wasserturbine in Betrieb, sie versorgte die Hitzler-Werft mit Strom", sagt Lange.

Noch viel älter ist die Palmschleuse nebenan, eine der ältesten Kammerschleusen Europas. Sie war Teil des historischen Stecknitzkanals zwischen Lübeck und Lauenburg. Der Wasserweg wurde zwischen 1392 und 1398 mit insgesamt 15 Schleusen gegraben und überwand dabei 18 Meter Höhenunterschied - hölzerne Kähne lösten damals die Pferdefuhrwerke beim Salztransport ab.

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