Barsinghausen. Dieses Jahr ist Urlaub in der Ferne nur schwer zu realisieren. Doch warum muss man weit weg, um Spannendes zu erleben? Stattdessen kann auch ein Ausflug unter die Erde lohnen.

Die Luft ist feuchtkalt, die Grubenlampen tauchen die Felswände in ein schummriges Licht. Über alte Schienen rumpelt die Grubenbahn dahin. Mit jedem Meter geht es tiefer in den Stollen hinein, bis auch das letzte Tageslicht verblasst.

Der Klosterstollen Barsinghausen hatte wie viele andere Besucherbergwerke und Höhlen in Niedersachsen zu Beginn der Corona-Pandemie geschlossen. Dank neuer Konzepte und kleinerer Gruppengrößen ist es nun vielerorts wieder möglich, sich auf Erkundungstouren unter Tage zu begeben. Dabei gilt es einiges zu beachten.

KLOSTERSTOLLEN BARSINGHAUSEN: Zu Beginn der Fahrt bekommt jeder Besucher ein eigenes "Geleucht", dann geht es mit der Grubenbahn ins Bergwerk. Damit dieses Erlebnis auch in Corona-Zeiten möglich ist, mussten die Betreiber des Klosterstollen Barsinghausen umdenken. "Die Strecke im Bergwerk führt durch enge Wege, in der Grubenbahn sitzt man normalerweise eng beieinander", sagt Geschäftsführer Thomas Schmidt. Damit ausreichend Abstand eingehalten werden kann, gibt es nach vorheriger Anmeldung Führungen in Fünfergruppen.

BERGWERK RAMMELSBERG: Als erste Industrieanlage Deutschlands wurde das Erzbergwerk Rammelsberg bei Goslar 1992 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Erst wenige Jahre vorher war der Betrieb eingestellt worden - nachdem schätzungsweise 27 Millionen Tonnen Erz in mehr als tausendjähriger Tradition abgebaut worden waren. Heute können Besucher weitaus bequemer als die Bergarbeiter damals Bergwerk erkunden. Bei verschiedenen thematischen Führungen geht es nicht immer nur unter die Erde, sondern auch mal hoch hinaus: Schwindelfreie können sich in einem offenen Förderwagen in 43 Metern Höhe einen guten Überblick über die Bergwerksanlage verschaffen.

EINHORNHÖHLE: Schon vor mehr als 1000 Jahren wurden aus der Einhornhöhle im Harz regelmäßig Knochen geborgen. Doch die Wissenschaftler standen vor einem Rätsel: Die Funde passten zu keiner bekannten Tierart der Zeit. Sie kamen daher zu dem Schluss, dass es sich um Knochen des sagenumwobenen Einhorns handeln müsse, sagt Geologe und Projektleiter der Höhle, Ralf Nielbock. Neben Apothekern pilgerten namhafte Wissenschaftler wie Gottfried Wilhelm Leibniz zu der Fundstelle unweit von Götingen, um das begehrte Heilmittel zu suchen.

Mittlerweile ist zwar bekannt, dass es sich um Knochen von altzeitlichen Höhlenbären handelt, die ebenso wie der Neandertaler einst dort lebten. Die Faszination für die Höhle ist trotzdem ungebrochen - nicht nur wegen der Einhorn-Mythen und Historie. "Die Höhle ist ein Magnet für Film und Fernsehdrehteams", sagt Nielbock. Unter anderem die Netflix-Serie "Dark" wurde dort gedreht, nun locke sie zahlreiche Fans an. Aufgrund des besonderen Höhlenaufbaus müssten Besucher sich trotz Corona-Zeiten dabei keine Gedanken um genug frische Luft in der Höhle machen: Dank des Höhenunterschieds der Eingänge sei es auch ohne zusätzliche Ventilatoren möglich, zwischen den Besichtigungen einmal komplett durchzulüften, sagt Nielbock.

IBERGER TROPFSTEINHÖHLE: In Bad Grund, etwa zehn Autominuten von Clausthal-Zellerfeld entfernt, liegt der Iberg. Doch die Geschichte des Berges beginnt ganz woanders: Als Korallenriff in der Südsee, unweit von Madagaskar. Erst im Laufe von 385 Millionen Jahren, während sich die Dinosaurier und zahlreiche Tier- und Pflanzenarten entwickelten und wieder von der Erde verschwanden, bewegte er sich mit der Kontinentalverschiebung an seinen heutigen Platz im Harz. Im Höhlenelebniszentrum am Iberg können Besucher diese Geschichte in einem 160 Meter langen Tunnel erforschen. Am Ende des Tunnels wartet die Iberger Tropfsteinhöhle, in deren Wänden versteinerte Meeresbewohner die Geschichte des ehemaligen Riffs bezeugen.

Zurzeit gibt es keine geführten Touren am Iberg. "Die Besucher erkunden die Anlage auf eigene Faust", sagt Lisa Koschnitzke vom Höhlenerlebniszentrum. Neben Tunnel und Tropfsteinhöhle steht dabei wie gewohnt das Museum zur Verfügung. Es erzählt die Geschichte eines 3000 Jahre alten Höhlengrabes, das in der 15 Kilometer entfernten Lichtensteinhöhle gefunden wurde. Für einige Besucher könnte sich dabei ein Blick in die eigene Familiengeschichte lohnen: Durch DNA-Analysen fanden Forscher heraus, dass auch heute noch Nachfahren des bronzezeitlichen Clans unter uns sind.

WEITERE HÖHLEN IN NIEDERSACHSEN: Nicht nur in der Region um den Harz gibt es Höhlen, die zu einer Erkundungstour einladen. Als Abstecher bei einer Wanderung am Ith-Hils Weg kann sich ein Stopp an der Rothesteinhöhle lohnen. Sie ist frei zugänglich, ebenso wie die Lippoldshöhle im Leinebergland. Dort soll der Räuber Lippold einst sein Unwesen getrieben haben. Der Legende nach entführte er die Tochter des Bürgermeisters und versteckte sich mit ihr in der Höhle, die auch heute noch aus mehreren Kammern besteht.

In Osnabrück erforschen Besucher nach vorheriger Anmeldung die Gertrudenberger Höhlen unter dem Bürgerpark nördlich der Altstadt. Im Süntel können Wanderer derzeit zwar nicht das dortige Highlight, die Schillat-Höhle, selbst betreten. Ganz auf die Eindrücke einer Höhlentour muss trotzdem nicht verzichtet werden: Es besteht die Möglichkeit, mit einer 3D-Show das Innere der Höhle oder den Süntel aus der Vogelperspektive zu erkunden.

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