Hamburg. . Unweit des Hamburger Hafens in Wedel zieht die Welt vorbei. Beim “Schulauer Fährhaus“ werden seit 60 Jahren Schiffe feierlich begrüßt.

Am Anleger vor dem Café mit Elbblick wartet ein Onkel mit seinen zwei Neffen gespannt auf Schiffe. Das ist die Stunde von Eckart Bolte, 68, Begrüßungskapitän. Sein Arbeitsplatz ist eine Kabine mitten im Lokal, dem "Schulauer Fährhaus". Es beherbergt die weltweit älteste Schiffsbegrüßungsanlage Willkomm-Höft. Hier in Wedel an der Unterelbe vor Hamburg werden ein- und auslaufende Schiffe mit Fanfare, Hymne und Fahne begrüßt oder verabschiedet. Die häufigste Frage der Gäste lautet: "Wann kommt der nächste dicke Pott?".

Immer ein Auge auf den Schiffsmeldedienst

Bolte beugt sich über seinen Rechner, scannt die Webseite marinetraffic.com Er vergleicht das Ergebnis mit den Faxnachrichten vom Schiffsmeldedienst. Der Kapitän hat gute Nachrichten für die Neffen: "Jetzt kommt wohl zuerst das kleinere Containerschiff "Rumba" aus dem Hamburger Hafen, und ein paar Minuten später müsste von der Nordsee das große kommen." Der Blick geht aus dem Fenster elbabwärts. "Da kann man ihn schon sehen."

Tatsächlich dauert es nicht mehr lange, und es kommt Schwung ins Lokal. Neffen und Onkel stehen mit gezücktem Handy auf dem Ponton, Bolte am Mikrofon. Der Begrüßungskapitän verkündet die Ankunft der "Hanjin Green Earth", wahrlich ein dicker Pott: 366,5 Meter misst das Schiff, es kann 13 092 Standardcontainer aufnehmen.

Schiffe werden mit dem "Fliegenden Holländer" begrüßt

Eckart Bolte ist Begrüßungskapitän im
Eckart Bolte ist Begrüßungskapitän im "Schulauer Fährhaus" in Wedel. © dpa

Das von Bolte angekündigte Containerschiff "Rumba" wurde von dem Saugbagger "Bartolomeu Dias" überholt, der Schlick aus dem Hamburger Hafen in die Nordsee kippt. Über das Wasser tönen erst eine Fanfare aus Richard Wagners "Fliegendem Holländer" ("Steuermann hält die Wacht"), dann ein Stück Hamburg-Hymne mit dem Ruf "Welcome to Hamburg", schließlich die englische Nationalhymne, weil die "Green Earth" der südkoreanischen Reederei Hanjin unter englischer Flagge fährt.

Doch mit der Begrüßung per Lautsprecher ist die Zeremonie noch nicht vorbei: Eine elektrische Winde zieht die Hamburg-Flagge am hohen Mast vor dem Fährhaus nach unten. Das wirkt ein wenig wie ein Kniefall, heißt unter Seeleuten "Dippen" und ist ein uralter Brauch, um friedliche Absichten zu bekunden.

Ein kleiner Einblick in die Globalisierung

Überhaupt will das Willkomm-Höft zur Völkerverständigung beitragen. Zumindest lernen Landratten und "Pottkieker", wie die Besucher hinter vorgehaltener Hand genannt werden, ein Stück Globalisierung kennen - etwa wenn ein in Kroatien erbauter Saugbagger einer belgischen Reederei unter Luxemburg-Flagge mit dem Namen eines portugiesischen Seefahrers nun den Hamburger Hafen schlickfrei hält.

Bolte trägt einen grauen Bart, ein weißes Diensthemd mit Epauletten und Schlips - ganz Kapitän, aber er ist nie zur See gefahren. "Wir sind alle keine echten Kapitäne", gesteht er mit Blick auf die vier Kollegen: gestandene Männer im Rentenalter, die täglich von 11.00 Uhr bis Sonnenuntergang Schiffe ab 1000 Bruttoregistertonnen Größe an- und abmoderieren. Bolte ist der Dienstälteste auf der Lokalbrücke.

Verschiedene Nationen bringen Abwechslung

"Beim Hafengeburtstag habe ich schon mal 72 Schiffe an einem Tag begrüßt", erzählt der Kapitän. So etwas geht nicht ohne eine gewisse Routine und zugleich Spaß an der Abwechslung. Etwa als ein Schiff unter mongolischer Flagge vorbeifuhr und die Nationalhymne noch gar nicht vorlag. Da erkundigte sich Bolte nach der Nationalität der Besatzung und spielte die lettische Hymne. "Die klingt nicht nur toll, die zeigt Wirkung. Plötzlich gingen alle Türen auf dem Schiff auf, die Jungs haben sich gefreut und gejubelt."

Auch auf dem Kreuzfahrtschiff, das in der Dämmerung das Willkomm-Höft passiert, winken und wippen die Gäste - zur eigenen Diskomusik an Bord. Zu diesem Zeitpunkt haben der Onkel und seine Neffen mit ihren Rädern längst die Grenzen Hamburgs überschritten. Von Blankenese mag man den schönsten Blick über die Elbe haben, das schönste Echo vom anderen Ende der Welt gibt es in Wedel. (dpa)

Ganz nah dran an der Globalisierung: das Schulauer Fährhaus.

Wenige Seemeilen vor dem Hamburger Hafen zieht am Anleger Willkomm-Höft in Wedel die große weite Welt vorbei.
Wenige Seemeilen vor dem Hamburger Hafen zieht am Anleger Willkomm-Höft in Wedel die große weite Welt vorbei. © dpa
Auch ein Aida-Schiff zieht am Anleger Willkomm-Höft vorbei - was nicht so häufig vorkommt. Die Gäste an Bord tanzen allerdings nicht zur Begrüßungsmusik im Fährhaus, sondern zu eigenen Diskobeats.
Auch ein Aida-Schiff zieht am Anleger Willkomm-Höft vorbei - was nicht so häufig vorkommt. Die Gäste an Bord tanzen allerdings nicht zur Begrüßungsmusik im Fährhaus, sondern zu eigenen Diskobeats. © dpa
Eckart Bolte ist Begrüßungskapitän im
Eckart Bolte ist Begrüßungskapitän im "Schulauer Fährhaus" in Wedel. © dpa
Dicke Pötte gucken von der Ausflugsterrasse: Das bietet das
Dicke Pötte gucken von der Ausflugsterrasse: Das bietet das "Schulauer Fährhaus" an der Elbe in Wedel. © dpa
Das
Das "Schulauer Fährhaus" mit seinem Anleger Willkomm-Höft begrüßt seit 60 Jahren Schiffe aus aller Welt. © dpa
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