Oldenburg (dpa/lni). Erst geht es mit dem Bollerwagen los, anschließend wird deftig gegessen: In der Pandemie fielen Kohltouren oft aus. Nun ist die Grünkohlsaison im Nordwesten wieder im Gange. Es ist aber noch Luft nach oben.

Traditionelle Kohltouren und Grünkohlessen sind nach der Corona-Pandemie rund um Niedersachsens Kohlmetropole Oldenburg wieder gefragter. Die klassischen Kohltouren-Gruppen, die mit Bollerwagen losziehen und anschließend für Grünkohl mit Pinkel, Kassler und Salzkartoffeln in die Gasthöfe einkehren, seien in der Pandemie nicht verloren gegangen, sagte Nico Winkelmann, Chefkoch im Gasthaus Bümmersteder Krug in Oldenburg.

„Es wird auf jeden Fall wieder ausgelassener. Wir merken, dass die Leute wieder Lust haben, etwas zu unternehmen.“ Dennoch sei die Grünkohlsaison für viele Gasthöfe eher schleppend gestartet. Die Nachfrage sei noch nicht wieder auf dem Niveau vor der Pandemie, Reservierungen gingen zudem kurzfristiger ein.

Januar für Grünkohlessen sonst ausgebucht

Viele Kollegen hätten wegen ausbleibender Nachfrage Termine absagen müssen, sagte Winkelmann. „Die Reservierungen waren sehr, sehr mau.“ Im Bümmersteder Krug gebe es nun bis Ende März nur 10 statt 13 der sogenannten Kohlbälle mit Essen und Feier. Beim ersten Ball im Januar seien 130 Gäste gekommen - der Platz im Saal reiche für 180. „Da wäre noch Luft nach oben“, sagte der Chefkoch.

Während früher der Januar für Grünkohlessen sonst vielerorts ausgebucht gewesen sei, seien nun noch Termine zu bekommen gewesen. Vor allem Firmen, die die Kohlessen mit ihren Belegschaften buchten, seien noch zögerlich.

Diese Zwischenbilanz bestätigt auch die Oldenburg Tourismus und Marketing GmbH (OTM), die etwa Touren rund um die „Oldenburger Palme“ als Stadtführungen anbietet. „Die werden ganz gut angenommen, aber da ist auch noch Luft nach oben“, sagte Geschäftsführerin Silke Fennemann. „Bei den Kohltouren sind wir noch nicht wieder bei den 100 Prozent, die wir vor der Pandemie hatten.“

Nur noch ein oder zwei Touren

Während viele Oldenburger vor der Pandemie mindestens drei Kohltouren mit Familie, Freunden und dem Betrieb gemacht hätten, seien es nun eher nur noch ein oder zwei Touren, sagte Fennemann. Ein möglicher Grund sei, dass die wirtschaftliche Lage viele beim Schlemmen zurückhalten lasse.

Grünkohl gilt als niedersächsisches Kulturgut und Oldenburg als „Hauptstadt“ der beliebten Kohltouren. Demnach ist der Oldenburger Turnerbund (OTB) der Erfinder der Kohltouren, auch Kohlfahrten genannt, in ihrer heutigen Form. Die erste Kohlfahrt ist in der OTB-Vereinschronik vom 15. Januar 1871 dokumentiert. Da während der Corona-Pandemie die klassischen Grünkohl-Essen ausfallen mussten, wurden viele Gaststätten kreativ und boten etwa Lieferdienste oder einen Außer-Haus-Verkauf an.

Zuversicht für den Saisonschlussspurt

Sorgen bereite den Landgasthöfen die allgemeine Preissteigerung, sagte Winkelmann. Lebensmittel seien im Einkauf zuletzt bis zu 30 Prozent teurer geworden, Energiepreise seien um das vier- bis fünffache gestiegen. „Wir müssen die Kosten natürlich weitergeben, das ist ganz klar“, sagte Winkelmann. Der Gastronom zeigte sich dennoch zuversichtlich für den Saisonschlussspurt: Für den Februar seien die Buchungszahlen recht ordentlich.

Offen ist noch, ob die Oldenburger in diesem Winter ihr Ziel von 100.000 Portionen Grünkohl verspeisen. Zum Saisonstart hatte die Stadt ein Grünkohlbarometer vorgestellt, das bis Ende März jeden gegessenen Teller Grünkohl zählt. Pro 20.000 Portionen will die Stadt je 100 Grünkohl-Gerichte an die Oldenburger Tafel geben. Aktuell zeigt das Barometer rund 43.000 Portionen an. „Wo wir am Ende landen, liegt ganz bei den Oldenburgerinnen und Oldenburgern, sagte Fennemann.