Essen. Die Diagnose Lungenkrebs ist für Betroffene ein Schock. Zum Krebstag der Kliniken Essen-Mitte macht Dr. Daniel C. Christoph Patienten Hoffnung.

Wenn Dr. Daniel Christian Christoph seinen Patienten das erste Mal begegnet, „sitzt ihnen meist der Schrecken im Nacken“. Sie kommen mit der gerade gestellten Diagnose Lungenkrebs ins Huyssensstift der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM) und haben innerlich fast schon mit dem Leben abgeschlossen. „Ich möchte ihnen den Schrecken nehmen“, sagt der Mediziner. Eine Heilung könne er nicht versprechen, doch in der Behandlung von Lungenkrebs habe sich viel getan, allein in den vergangenen fünf, sechs Jahren habe es „dramatische Fortschritte“ gegeben. Beim Krebstag an diesem Samstag (30. April) ist er einer von zahlreichen KEM-Medizinern, die Patienten online informieren und beraten.

Alfried Krupp hatte nur einen Monat zwischen Diagnose und Tod

Christoph veranschaulicht die Entwicklung am Beispiel eines berühmten Esseners: Alfried Krupp von Bohlen und Halbach sei 1967 nur einen Monat nach der Lungenkrebsdiagnose verstorben, „heute betreuen wir Patienten über viele Jahre“. Noch um die Jahrtausendwende habe es Operation, Bestrahlung und vier Chemotherapie-Varianten gegeben: „Das war’s“, sagt der Oberarzt der Klinik für Internistische Onkologie und Hämatologie, der vor fünf Jahren von der Uniklinik an die KEM wechselte und dort das zertifizierte Lungenkrebszentrum aufbaute.

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„Heute wird jeden Monat ein neues Medikament zugelassen, eine Verbesserung entwickelt.“ Sieht man von Entwicklungen im Detail ab, gibt es vor allem zwei innovative Behandlungsansätze: Einmal die zielgerichtete Therapie, bei der Medikamente die Krebszellen so passgenau angreifen, dass ihr Wachstum gebremst wird. Zum anderen die Immuntherapie, die das körpereigene Immunsystem mobilisiert, um den Krebs zu bekämpfen. Es gebe keine Heilung, aber eine Chronifizierung: „Trotz Metastasen gewinnen die Patienten Lebenszeit und haben auch eine gute Lebensqualität“, sagt Christoph.

Dauerhusten als Warnsignal gedeutet

Erika Rehage (66) lebt seit 2016 mit dem Lungenkrebs: „Es fing mit einem Dauerhusten an, der nicht verschwand und richtig weh tat.“ Im Nachhinein ein glückliches Warnsignal, denn je früher Lungenkrebs entdeckt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Erika Rehage wandte sich an eine Lungenfachärztin, die einen Schatten auf der Lunge entdeckte und sie zum Radiologen schickte. Nach der Untersuchung sagte dieser zu seiner Patientin: „Sie haben Lungenkrebs und müssen das Rauchen aufgeben.“ Rehage setzte sich ins Auto – und zündete sich erstmal eine Zigarette an, dachte: „Der Krebs ist ja schon da.“

Als sie 2016 die Diagnose Lungenkrebs bekam, dachte Erika Rehage nun sei alles vorbei. Dank einer zielgerichteten Therapie hat sie viel Lebenszeit gewonnen.
Als sie 2016 die Diagnose Lungenkrebs bekam, dachte Erika Rehage nun sei alles vorbei. Dank einer zielgerichteten Therapie hat sie viel Lebenszeit gewonnen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Zuhause bei ihrem Mann angekommen, habe sie beide die ganze Wucht der Diagnose getroffen: „Jetzt gibt es keine Hoffnung mehr, jetzt ist alles aus.“ Stattdessen sollte ein zäher Kampf beginnen: Rehage kam zu Dr. Christoph im Huyssensstift, der ihr eine harte Behandlungsfolge auferlegte: Ein Teil der Lunge wurde entfernt, es folgten Chemo- und Strahlentherapie. „Am Ende ging es mir richtig dreckig, aber ich bin ja eine Kämpferin. Und hier hat man mir die Angst genommen – das war wichtig“, erinnert sich die Patientin. Zumal der Krebs – anders als gehofft – nicht geheilt war, sondern im November 2017 zurückkehrte.

Schlaflose Nächte vor dem Kontrolltermin

Inzwischen wird Erika Rehage ambulant mit einer zielgerichteten Therapie behandelt: „Sie nimmt morgens und abends eine Tablette, mit der wir den Tumor zurückdrängen“, erklärt Dr. Christoph. Man könne nicht jedem Patienten so helfen, aber man sollte jeden auf mögliche Genveränderungen testen, die mitursächlich für Lungenkrebs sein können. Der Test liefere hundertprozentig exakte Ergebnisse. Für Patienten mit der Genveränderung „ROS1“ wie Erika Rehage gibt es eine Selbsthilfegruppe, in der sie sich austauschen und stützen. Geheilt nämlich sind sie nicht, alle drei Monate geht die 66-Jährige zur Kontrolle: „Man hat immer den Teufel im Nacken.“

Krebstag: Beratung für Patienten und Angehörige

Im August 1996 wurde an den Evangelischen Kliniken Essen Mitte (KEM) die Klinik für Internistische Onkologie und Hämatologie neu in den Bettenbedarfsplan des Landes NRW aufgenommen. Sie war zunächst als Erweiterung der Inneren Klinik (Tumorforschung) der Uniklinik Essen gedacht, hat sich aber rasch eigenständig weiterentwickelt.

Durch neue Schwerpunkte und Ansiedlung weiterer Kliniken wurde sie in den vergangenen 25 Jahren zum größten nicht-universitären Onkologischen Zentrum im Ruhrgebiet. Heute werden jährlich über 16.000 onkologische Patienten ambulant versorgt und mehr als 6000 stationär.

Das 25-jährige Bestehen der Onkologie feiert die KEM coronabedingt mit einem Jahr Verspätung: Am Freitag, 29. April, gibt es im Hotel Franz ein wissenschaftliches Symposium. Am Samstag, 30. April, bietet der Krebstag 2022 von 10 bis 16 Uhr ein Online-Programm für Betroffene, Angehörige und Interessierte. Experten beraten zu Themen von Brustkrebs bis Magen-Darm-Krebs, stellen neue Therapien, moderne Diagnostik und robotergestützte Chirurgie vor. (Über Fortschritte in der Behandlung von Lungenkrebs spricht Dr. Daniel Christian Christoph um 10 Uhr.) Die Veranstaltung ist kostenlos, eine Anmeldung nicht nötig. Infos und der Zoom-Link auf: kem-med.com

Viele seiner Patienten schlafen in den Tagen vor dem Kontrolltermin schlecht, machen sich Sorgen: „Wir haben ja auch nicht immer gute Nachrichten“, sagt Christoph. Umso beglückender erlebt es der Mediziner, dass er in einer Disziplin, die so eng mit dem Tod verbunden ist, heute so viele bessere Verläufe sieht als noch vor 20 Jahren. Er empfiehlt allen Betroffenen, sich in einem zertifizierten Lungenkrebszentrum behandeln zu lassen, wie es bereits zwei Drittel der Patienten tun. Daneben wünscht er sich eine Vorsorgeuntersuchung für Risikopatienten – also starke Raucher.

Die meisten Lungenkrebs-Patienten sind Raucher

Auch wenn es unterschiedliche Ursachen für Lungenkrebs gibt: Gut 85 Prozent der Betroffenen sind Raucher. Haben sie viel geraucht, verlangt Dr. Christoph ihnen keinen schlagartigen Verzicht ab: „Die können das auch schrittweise runterfahren.“ Erika Rehage, die schon zuvor nur mäßig geraucht hat, ist das Aufhören gut gelungen. Seit drei Jahren ist die Essenerin, die früher am Empfang eines Seniorenstifts gearbeitet hat, nun in Rente. Sie genießt die Zeit mit ihrem Mann, passt auf sich auf: „Die Zigarette damals im Auto war die letzte.“