Bad Vilbel. 88 Träger elektronischer Fußfesseln werden von Hessen aus kontrolliert. Rund um die Uhr von zwei bis drei Mitarbeitern pro Schicht.

Die Brisanz der Arbeit sieht man dem kleinen Büro nicht an. Es ist nur eine enge Erdgeschosswohnung in einem Justizgebäude im hessischen Bad Vilbel, früher lebte hier der Hausmeister. Zwei Mitarbeiter der hessischen Justiz sitzen an ihrem Schreibtisch, tippen Protokolle und warten. Um sich abzulenken, läuft der Fernseher. Doch sie müssen wachsam sein: Jederzeit könnte ein Alarm auf dem Monitor aufblitzen.

Sie arbeiten in der „Gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder“, kurz GÜL. Von hier aus überwacht der Staat alle Träger einer elektronischen Fußfessel. Schwerverbrecher, die auch nach Verbüßung ihrer Haft für so gefährlich gehalten werden, dass ihr Aufenthaltsort mit einem Sender kontrolliert wird. 16 Wächter sind es insgesamt, jeweils zwei bis drei arbeiten pro Schicht. Nach dem gestrigen Beschluss des Bundeskabinetts könnte auf sie nun deutlich mehr Arbeit zukommen.

Fußfessel ist so groß wie Zigarettenschachtel

Bundesweit tragen 88 Menschen das 180 Gramm schwere und zigarettenschachtelgroße Kästchen mit eingebautem GPS-Sender am Bein. Satelliten orten darüber alle 15 Minuten ihren Aufenthaltsort. Nähert sich ein Träger der für ihn verbotenen Zone oder verlässt ein definiertes Gebiet, klingelt in der GÜL der Alarm. Erst in diesem Moment erfahren die Mitarbeiter in der Überwachungsstelle, wo sich der Träger aufhält.

Sein Standort wird dann im Minutentakt gesendet, samt Richtung und Geschwindigkeit seiner Bewegung. Auf den Bildschirmen erscheint er als kleiner Pfeil auf einer Satellitenaufnahme. Gleichzeitig ruft ein GÜL-Mitarbeiter den Fußfesselträger auf dem Handy an. Meldet er sich nicht, verständigen sie sofort die Polizei vor Ort, um den Gesuchten aufzuhalten.

Im Schnitt erklingt der Alarm 20-mal am Tag. „Meistens bedeutet das aber nur, dass bei einem Träger bald der Akku der Fußfessel leer ist“, sagt Hans-Dieter Amthor, seit der Gründung 2012 Leiter der GÜL. Auch dann werden sie benachrichtigt und kontaktieren den Träger. Wirklich brenzlig war es bisher fast nie, sagt der Leiter: „Wir hatten noch nie einen Verstoß gegen eine Verbotszone.“

Fußfesseln künftig auch für islamistische Gefährder

Nach dem Vorschlag von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und Bundesinnenminister de Maizière (CDU),

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sollen künftig auch „islamistische Gefährder“ eine elektronische Fußfessel tragen. Ein geeignetes Mittel für mehr Sicherheit?

Hans-Dieter Amthor ist fest davon überzeugt: „Man könnte es so regeln, dass ein Träger ein bestimmtes Gebiet nicht verlassen darf“, sagt er. „Anis Amri hätte dann nie aus seinem Landkreis rausgekonnt.“ Umgekehrt funktioniere die Technik auch: Als besonders gefährdet geltende symbolträchtige Orte, etwa rund um das Brandenburger Tor, ließen sich für die Träger zu Tabuzonen erklären, die sie nicht betreten dürfen.

Bundesinnenminister de Maiziére: Elektronische Fußfessel für Gefährder ist sinnvoll

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    „So könnte man sichere Zonen herstellen“, sagt Amthor. Doch er schränkt ein: Selbst mit Fußfessel kann sich ein Träger einfach im nächsten Supermarkt in die Luft sprengen. „Sie können nie verhindern, dass jemand irgendwo einen Anschlag begeht.“

    Islamisten könnten bewusst Alarme auslösen

    Im hessischen Justizministerium geht man davon aus, dass die jetzt beschlossene Ausweitung des Fußfesseleinsatzes die Zahl der überwachten Personen verdoppeln würde. „Dies wäre technisch jederzeit realisierbar“, sagt die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann.

    GÜL-Leiter Amthor schätzte bisher, dass bis zu 150 Personen von der kleinen Erdgeschosswohnung in Bad Vilbel aus kontrollierbar wären. Doch das war, bevor er wusste, dass künftig auch „islamistische Gefährder“ überwacht werden sollen. „Die Leute, die wir hier überwachen, sind alle hochproblematisch“, sagt er. Es seien Mörder und Sexualstraftäter darunter. Die seien zum Teil aber von Drogen gezeichnet und immobil. Junge „islamistische Gefährder“, befürchtet Amthor, könnten mit ständig provozierten Alarmen das System bewusst stören und an seine Grenzen bringen.

    Dass die Zahl der Fußfesselträger nun rasant ansteigen wird, glaubt Amthor nicht. Bevor jemand eine Fußfessel bekomme, ständen immer noch Gerichtsverfahren an. Sollten sie im GÜL bald tatsächlich eine große Zahl von Islamisten überwachen müssen, ließe sich auch das mit mehr Personal stemmen: „Wir sind der Arbeit gewachsen“, sagt Amthor. „Egal um welche Zielgruppe es sich handelt.“