Experten befürchten bereits, in Mittelamerika wachse das “größte außenpolitische Problem für die USA“ heran.

San Jose. Während Venezuelas Präsident Hugo Chavez bei seinen Auftritten vor dem Plenum der Uno in New York gerne auf die Pauke haut und US-Präsident George W. Bush dort schon mal als "Teufel" oder "Pendejo" (Arschloch) bezeichnet, verleibt er, zumindest ideologisch, Mittelamerika und den Karibikraum seinem sozialistischen "Traumparadies" ein. Chavez, den Bush und andere westliche Staatschefs als "unberechenbar" und "verrückt" ansehen, hat sich in den vergangenen Jahren in der Karibikregion einen Namen als Wohltäter und Revolutionär gemacht. Er verschenkt Hunderte von Millionen an Finanzhilfen für arme Länder, offeriert ihnen Öl zum Billigtarif und extrem günstigen Konditionen, lässt sich als sozialistischer Wohltäter feiern. Die USA schauen dem gefährlichen Treiben in ihrem "Hinterhof" fast tatenlos zu. Experten in Washington und Lateinamerika warnen vor einer Situation, die sich schon sehr bald zum "größten außenpolitischen Problem der USA" auswachsen könnte.

Besonders die explodierenden Ölpreise und die teilweise drastischen Kürzungen der Entwicklungshilfeetats lassen Chavez' Hilfsangebote auf fruchtbaren Boden fallen. Als der Ölpreis Anfang des Jahres die Hundert-Dollar-Marke überschritt, drohte nicht wenigen zentralamerikanischen Ländern der Bankrott, da sie den Löwenanteil ihrer Devisen für Treibstoffimporte nutzen mussten. Die Folge waren dramatische Benzin- und Strompreiserhöhungen in der Region. Da erschien der Präsident des fünftgrößten Erdölproduzenten der Welt wie der ersehnte Retter. Der Sozialist, der ein glühender Verehrer und enger Freund von Kubas Fidel Castro ist, bot allen mittelamerikanischen Staaten an, dass sie seinem Ölpakt "PetroCaribe" beitreten könnten. PetroCaribe hat inzwischen 19 Mitglieder im Karibik- und Zentralamerikaraum, darunter Nicaragua, Belize, Guatemala, Honduras und seit wenigen Wochen sogar Costa Rica, das ideologisch und politisch eigentlich ein enger Verbündeter der Vereinigten Staaten ist und die sozialistische, antiamerikanische Doktrin des venezuelanischen Präsidenten strikt ablehnt. Als Chavez Costa Ricas Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Oscar Arias jedoch anbot, ihm Öl in unbegrenzter Menge zum Sonderpreis zu liefern und dass nur 40 Prozent innerhalb von 90 Tagen bezahlt werden müssen und der Rest über 25 Jahre mit einem Prozent Zins abgestottert werden kann, konnte Arias nicht Nein sagen.

Offiziell ist der Beitritt zu PetroCaribe nicht an einen gleichzeitigen Anschluss zu ALBA, der "Bolivar-Alternative für Südamerika", einem von Chavez gegründeten sozialistischen Handelsabkommen, gekoppelt, aber erwartet wird es doch von dem selbst ernannten Revolutionär. Chavez hat gegenüber seinem kubanischen Vorbild Castro einen großen Vorteil: Sein Land verdient Milliarden Euro dank der riesigen Erdölvorkommen Venezuelas, und Chavez gibt das Geld mit vollen Händen aus, um seine ideologischen Ideen zu verwirklichen. So spendete er alleine Nicaragua etwa 500 Millionen Dollar zum Ausbau seiner Stromversorgung, zum Bau von Straßen und neuen Krankenhäusern. Nach Costa Rica hat er eine Hundertschaft Fachärzte geschickt, damit sie arme Leute mit schweren Augenerkrankungen, die zu erblinden drohen, kostenlos operiert. Das Ganze nennt sich schlicht "Operation Wunder". Mit freundlichen Grüßen von ALBA. Eine Millionenspende hier, eine Millionenspende dort. 50 neue Schulen in Honduras, ein E-Werk in Belize, eine neue Abwasseranlage in Nicaragua. Der dortige Präsident Daniel Ortega, der als wichtigster Verbindungsmann von Chavez in Mittelamerika gilt, lobt die Taten seines Freundes aus Venezuela mit biblischen Worten. So meinte der Sandinist unlängst: "ALBA und PetroCaribe sind die modernen Beispiele von Nächstenliebe, wie sie Jesus gepredigt hat." Ortegas Transportminister setzte noch einen drauf und erklärte: "Alba vollbringt Wunder."

San Salvador, das bisher noch nicht mitmacht, dürfte auch bald ein Mitglied der Wunder-Allianz werden. Nach CIA-Berichten fördert Chavez den Präsidentschaftswahlkampf in dem kleinen mittelamerikanischen Staat mit großen Summen, um einen Sieg der marxistischen Guerilla-Partei FMLN zu garantieren.

Während die US-Regierung die Wohltaten des venezuelanischen Präsidenten als "diplomatische Bestechung" anprangert, wächst die Zahl seiner neuen "Freunde". Hugo Chavez ist zuversichtlich, dass er seinem Ziel, den mächtigen USA einen Südblock entgegenzustellen, schnell näher kommen wird. Zugleich verschärft Chavez seinen sozialistischen Kurs auch im Inneren: Unterstützt von Soldaten der Nationalgarde, übernahmen Venezuelas Behörden jetzt die Kontrolle über mehrere ausländische Zementwerke, deren Verstaatlichung er angeordnet hatte. Die Werke gehören allerdings nicht amerikanischen Eignern, sondern einem mexikanischen Konzern.