Berlin. Deutschland braucht Klarheit, ob die Kernkraft in der Gaskrise helfen kann.

Die Ära der Atomkraft schien in Deutschland schon beendet, jetzt gibt es doch wieder Streit um den Ausstieg. Wie sollte es auch anders sein? Die längere Nutzung der Atomenergie lässt sich in der politischen Debatte nicht zum Tabu erklären, wenn Deutschland wegen des Ukraine-Krieges auf eine Energiekrise historischen Ausmaßes zusteuert.

In Erwartung der „Zerreißprobe“ für Deutschland, wie sie die Bundesregierung befürchtet, wirkt mancher Einwand gegen eine verlängerte Atomkraftnutzung seltsam bürokratisch. Und wenn zwei von Grünen geführte Ministerien in einer Expertise zu dem Schluss kommen, die Laufzeitverlängerung sei nicht empfehlenswert, hat das zwar Gewicht – aber es kann doch nicht schon das letzte Wort sein. Sicher, Atomenergie mag nur begrenzt einen Beitrag liefern zur Lösung der Probleme. Doch ist nicht jeder Beitrag von Wert?

Die Bundesregierung wäre gut beraten, die Auseinandersetzung nicht als Phantomdebatte abzutun, sondern rasch für Klärung zu sorgen: Kanzler und Wirtschaftsminister sollten bald einen Atom-Gipfel einberufen – mit Politikern von Koalition, Opposition und aus den Ländern, vor allem aber mit den Chefs der letzten Atomkonzerne.

Nachvollziehbar, belastbar und verbindlich könnte dieser Gipfel sachlich klären, was bei der Atomkraftnutzung noch möglich ist und was nicht. Zeigt sich, dass die letzten Reaktoren doch sinnvoll und sicher weiterzubetreiben wären, sollte die Bundesregierung über ihren Schatten springen und die Verlängerung durchsetzen. Bestätigt sich die Einschätzung, dass die Hürden zu hoch sind, wäre der Streit ebenfalls beendet – und der Weg frei für die Suche nach anderen Lösungen.