Peking. Anonyme Hacker haben offenbar persönliche Daten von einer Milliarde Chinesen gestohlen. Warum das für Peking zum Problem werden könnte.

Es ist der mutmaßlich größte Datenleak in der Geschichte Chinas: Ein unbekannter Hacker, der im Darknet unter dem Pseudonym „ChinaDan“ auftritt, behauptet, im Besitz von persönlichen Daten von über einer Milliarde Chinesen zu sein – inklusive Privatadressen, Telefonnummern und Vorstrafenregister.

Die insgesamt 23 Terabyte große Informationssammlung bietet der Cyberkriminelle in einschlägigen Foren zum freien Verkauf an. Zehn Bitcoin möchte er dafür haben, umgerechnet 190 Tausend Euro. Ein Schnäppchenpreis, wenn man den potenziellen Wert der Daten berücksichtigt.

Bereits seit mehreren Tagen kursierten Gerüchte über den spektakulären Datenklau. Dass der Leak tatsächlich existiert, wurde von mehreren Experten bestätigt – unter anderem vom chinesisch-kanadischen Geschäftsmann Zhao Changpeng, Gründer der Krypto-Handelsplattform Binance. Lesen Sie auch: Xi Jinpings trügerische Komplizenschaft mit Wladimir Putin

China: Stammen die Daten von der nationalen Polizeibehörde?

Von welcher Quelle die Informationen entwendet wurden, ist unklar. Kolportiert wird, dass die Datensammlung von der nationalen Polizeibehörde mit Sitz in Shanghai gehackt wurde. Möglicherweise hat ein IT-Entwickler versehentlich einen digitalen Zugangsschlüssel auf seinem persönlichen Blog gepostet, der dann vom Täter entwendet wurde.

Die offiziellen Stellen haben bislang noch keine Stellung bezogen, und wie üblich haben die Zensoren die Diskussionen der Internetnutzer auf den chinesischen sozialen Medien zum Thema beendet. Doch laut unabhängigen Experten zeigt der Hack vor allem auf, welch ungeheure Angriffsflächen die immensen Datensammlungen Chinas bieten.

Kendra Schaefer vom Beratungsunternehmen Trivium China, schreibt auf Twitter, dies sei die bisher „größte und schlimmste Datenpanne in der Geschichte“ des Landes: „Es ist unklar, wer schuld daran ist, doch auf jeden Fall werden einige Köpfe rollen“. Denn der Hack beinhaltet sensible Daten, darunter die Strafregister und Krankenakten von mehreren Hundert Millionen Menschen – darunter mutmaßlich auch hochrangigen Regierungsbeamten.

Wie kein zweiter Staat ist China die wohl größte Datenkrake der Welt. Die Behörden arbeiten seit Jahren daran, persönliche Informationen der eigenen Bevölkerung zu sammeln. Pekings Parteikader sind von der Idee überzeugt, anhand von „Big Data“ die heimische Gesellschaft sicherer, politisch stabiler, gesünder und ökonomisch effizienter zu machen.

China: Einsatz von künstlicher Intelligenz soll helfen

Dabei wird die Idee der Planwirtschaft wiederbelebt. Unter Regierungsvertretern ist die Ansicht verbreitet, dass dem einstigen Staatsgründer Mao Tsetung keine ausreichende Datengrundlage zur Verfügung stand, um korrekte Vorhersagen zu treffen. Dank künstlicher Intelligenz und smarter Algorithmen sei dies nun möglich: Straftäter könnten bereits im Vorhinein identifiziert, die Volksgesundheit verbessert und die Nachfrage nach wirtschaftlichen Gütern erhoben werden.

Doch wirft die Sammelwut erhebliche moralische Probleme auf, zumal es in China keinen funktionierenden Rechtsstaat gibt. Dabei hat sich Peking eigene Gesetze zur Reglementierung auferlegt. Erst 2021 führte man das sogenannte Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten ein. Doch während der Staat seine Bürger vor den Datenkraken innerhalb der Privatwirtschaft schützt, gibt es keine transparenten Kontrollmechanismen, die die staatlichen Behörden überprüft.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.