Berlin. Nach dem Alkohol-Unfall von Karl Nehammers Leibwache ermittelt die Staatsanwaltschaft. Ein anonymer Brief erhebt brisante Vorwürfe.

An einem Sonntag im März verursachten Leibwächter des österreichischen Bundeskanzlers Karl Nehammer (ÖVP) auf der Heimfahrt vom Dienst einen Autounfall mit Blechschaden. Beim Fahrer wurden 1,2 Promille festgestellt. Einem anonymen Brief zufolge fand der Umtrunk im Haus des Kanzlers selbst statt. Doch das ist nicht alles.

Es sei vorweg geschickt: Kanzler Karl Nehammer nennt alle erhobenen Vorwürfe "Unwahrheiten" und "glatte Lügen". Aber was auch immer dran sein mag an der Affäre um einen alkoholseligen Abend im Hause des Kanzlers mitsamt anschließender Heimfahrt seiner Leibwächter im oberen Promillebereich: Hartnäckig ist sie allemal, die Affäre, die den Kanzler seit Wochen wie ein Klotz am Bein begleitet.

Eine parlamentarische Anfrage der SPÖ gab es in der Sache bereits, jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft. Es geht um den Verdacht des Amtsmissbrauchs. Dabei ist über den Unfall eigentlich nur bekannt, dass er stattfand und der Fahrer dabei alkoholisiert war. Auf den Unfall folgte allerdings ein anonymes Schreiben, das die oppositionelle SPÖ veröffentlichte.

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    In dem Brief werden eine ganze Reihe weiterer Vorwürfe gegen die Familie Nehammer erhoben. Hinter dem Brief soll ein namentlich nicht bekannter Beamter der Polizei-Spezialeinheit "Cobra" stecken. Die Cobra ist für den Personenschutz österreichischer Politiker verantwortlich.

    Insider halten den Brief dabei für durchaus authentisch. Und anscheinend auch die Staatsanwaltschaft. Denn die jetzt begonnenen Ermittlungen in der Sache beruhen fast ausschließlich auf den in dem Brief geäußerten Vorwürfen.

    So heißt es da: Die Familie Nehammer würde Leibwächter für Botendienste sowie zur Kinderbetreuung einsetzen und pflege unlautere persönliche Kontakte zu den Beamten. So sei der Unfall nach einem Umtrunk mit Katharina Nehammer, der Frau des Kanzlers passiert. Zudem wird die Behauptung in den Raum gestellt, der Kanzler habe versucht, die Angelegenheit zu vertuschen.

    Nehammer: Ehefrau stand schon öfter in der Kritik

    Dabei bestätigt Katharina Nehammer, dass es einen Umtrunk gegeben hatte. Sie bestätigte auch, dass einer der Beamten eine Beziehung zu einer guten Freundin habe. An besagtem Abend habe man auf einen Geburtstag angestoßen. Anscheinend hätten die Beamten aber danach weiter getrunken.

    Dazu muss man eines wissen: Katharina Nehammer tritt in zunehmendem Maß als Strategin des Kanzlers in Erscheinung. Böse Zungen bezeichnen sie bereits als "Schattenkanzlerin". Sie ist bestens vernetzt in der regierenden ÖVP. Dabei hat ihre Präsenz in der Öffentlichkeit zwei Seiten.

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      So sorgte es zum Beispiel für Verwunderung und Kritik, dass sie ihren Mann auf Dienstreisen begleitete, denn rein protokollarisch sind Paar-Reisen Sache von Präsidenten. Auf der anderen Seite hat Karl Nehammer immer sehr sensibel reagiert, wenn seine Familie in die Öffentlichkeit gezerrt wurde. Und so auch diesmal.

      Zu dem anonymen Schreiben äußerte sich Nehammer sichtlich verärgert. Da in dem Brief Details der Sicherheitsvorkehrungen um die Kanzlerfamilie erwähnt werden, handle es sich um eine Gefährdung der Sicherheit seiner Familie. Den Vorwurf, er habe versucht die Affäre unter den Teppich zu kehren, wies Nehammer vehement zurück.

      Nehammer: Haben die Beamten Dienstzeiten manipuliert?

      Um diesen Verdacht drehen sich jetzt allerdings die Ermittlungen in der Sache. Ganz konkret geht es um den Vorwurf, dass die Dienstzeiten-Aufzeichnungen der alkoholisierten Crash-Beamten manipuliert worden seien. Konkret beschuldigt wird in der Sache der Chef der Spezialeinheit Cobra, Bernhard Treibenreif. Gegen ihn richten sich auch die Ermittlungen.

      Nachgegangen wird dem Vorwurf, Treibenreif habe Offiziere angewiesen, den Unfall so zu protokollieren, dass er außerhalb der Dienstzeit geschehen sei. In dem anonymen Schreiben wird dieser Vorwurf sehr detailreich ausgeschmückt.

      Treibenreif habe angeregt, die Dienstzeiten der Beamten nachträglich zu verändern: "So hat man sich darauf geeinigt, das Dienstende an dem besagten Tag vorzuverlegen. Somit soll dargestellt werden, dass der Unfall in der angeblichen Privatzeit der Beamten geschehen wäre", heißt es von dem unbekannten Verfasser.

      Treibenreif selbst wies alle Vorwürfe zurück: Man werde die Behauptungen genau prüfen. Er könnte aber jetzt schon sagen, dass der Wahrheitsgehalt "sehr, sehr gering ist" und "dass wir das alles zur Anzeige bringen werden".

      Nehammer bisher nicht im Ziel von Ermittlungen

      Gegen die Nehammers wird nach jetzigem Stand also nicht ermittelt. Wie heikel die Angelegenheit aber dennoch ist, verdeutlicht der Behördenweg in der Sache.

      Zunächst wurde die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt aktiv. In Wiener Neustadt südlich von Wien ist die Cobra angesiedelt. Schließlich wurde das Ermittlungsverfahren dann aber an die Oberstaatsanwaltschaft Wien weitergeleitet – und die wiederum delegierte den Fall an die Staatsanwaltschaft Korneuburg nördlich von Wien. So richtig Lust auf den Fall dürfte also niemand haben.

      Behördenvertreter betonen in der Sache hingegen, dass es durchaus üblich sei, dass ein Fall weitergegeben werde, sollte die Möglichkeit bestehen, dass eine lokale Ermittlungsbehörde befangen sein. Und Befangenheit ist freilich ein Thema bei strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Chef eine Polizei-Sondereinheit.

      Neben den strafrechtlichen Ermittlungen hat die Sache auch bereits hausinterne Ermittlungen zur Folge: Im Innenministerium wurde eine interne Prüfung eingeleitet. Wegen der Ermittlungen der Justizbehörden könne aber dazu nicht mehr gesagt werden, hieß es.

      Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de