Washington. Mit „Truth Social” will Ex-US-Präsident Donald Trump seine eigene Internetplattform etablieren. Doch der Start verlief eher holprig.

Paul Joseph Watson ist mit knapp 1,2 Millionen Anhängern auf Twitter einer der wirkungsvollsten rechtsextremen Polemiker im Internet. Da hätte man erwarten können, dass die Strategen von „Truth Social” dem Multiplikator eine VIP-Behandlung angedeihen lassen, um ihn zügig auf die Plattform zu bugsieren. Irrtum. Watson, wie viele andere auch, mopperte gestern, dass es mit dem Zugang auf den nagelneuen digitalen Marktplatz von Ex-Präsident Donald Trump nicht funktioniere.

Selbst Nutzer, die das Produkt schon im App-Store vorbestellt hatten, was in der Nacht zum Montag zum automatischen Herunterladen aufs iPhone führte, schauten, so sie sich nicht vom amerikanischem Boden aus einloggten, ihn die Röhre.

„Truth Social”: Start der Trump-Plattform am „President's Day”

Konten konnten nicht eingerichtet, Passwörter nicht gewechselt werden. Error-Meldungen und Probieren-Sie-es-später noch mal-Appelle waren die Folge. Wer die Registrierung hinter sich brachte, landete wegen der „massiven Nachfrage” (so „Truth Social”), im Nirvana und wurde vertröstet. „Wir lieben Dich. Und Du bist nicht irgendeine Nummer für uns”, lautete die kumplige Ansprache an die Neu-Kunden, die dann aber doch wie beim Doktor im Wartezimmer eine Ziffernfolge erhielten. Sechs Stunden nach Freigabe der App drängelten sich am Montag bereits über 150.000 Leute auf der Warteliste.

Trump hatte für den Start seiner neuen Platform den symbolisch aufgeladenen „President's Day” gewählt, ein nationaler Feiertag im Gedenken an die großen Führer des Landes seit George Washington. Lesen Sie auch: Präsidentschaftswahl 2024: Ist das der neue Trump?

Dass es überhaupt so weit kam, geht auf Trumps Lügen-Kanonaden zurück, die er seinen zuletzt über 80 Millionen Twitter-Abonnenten mit unschöner Regelmäßigkeit servierte. Vor allem nach seinem Lamento vom Wahlbetrug 2020 und den massiven Liebesbezeugungen für die Aufrührer vom 6. Januar 2021, die das Kapitol in Washington stürmten, hatte die großen Netzwerke Twitter und Facebook genug. Sie zogen dem 46. Präsidenten den digitalen Stöpsel. Trump beklagt seither nahezu täglich, dass es in Amerika keine freie Meinungsäußerung mehr gebe.

Mit „Truth Social” hat Trump ein lautstarkes Megaphon

Hinter „Truth Social” steht die vom ehemaligen kalifornischen Milchbauern und republikanischen Kongress-Abgeordneten Devin Nunes gemanagte „Trump Media & Technology Group”, kurz TMTG. Das wenig transparente Unternehmen hatte Ende 2021 bei privaten Investoren eine Milliarde Dollar eingesammelt. Man will sich unter Zuhilfenahme eines sogenannten „Spac-Deals” über den leeren Firmenmantel Digital World Acquisition DWAC an der Börse etablieren. TMTG will auch einen Video-on-Demand-Dienst mit Unterhaltung, News und Podcasts an den Markt bringen.

Gelingt das Vorhaben mit „Truth Social”, hätte Trump neun Monate vor den wichtigen Zwischenwahlen im Kongress eines lautstarkes Megaphon, um Amerika mit seiner Politik der verbrannten Erde gegen das republikanische Establishment, gegen Präsident Joe Biden und die Demokraten und gegen die liberalen Mainstream-Medien rund um die Uhr zu beschallen. Auch interessant: Donald Trump stiftet zur Gewalt an - Wählerzuspruch sinkt

Keine Zensur: Wird Trump sein Versprechen halten können?

Auf den ersten Blick ist „Truth Social” ein reiner Twitter-Klon geworden. Das Design erinnert stark an den Zwitscher-Dienst mit dem weißen Vögelchen im Logo. Patentrecht-Klagen scheinen nur eine Frage der Zeit zu sein.

Laut CEO Devin Nunes, der mit Vollbetrieb ab Ende März rechnet, bestimmen bei Trump die Nutzer selbst, was sie auf der Plattform sehen und lesen wollten. „Tech-Oligarchen-Freaks aus dem Silicon Valley, die den Leuten sagen, was sie denken sollen und entscheiden, wer auf der Plattform sein darf und wer nicht", gebe es bei „Truth Social” nicht.

Dass Trump sein Versprechen - keine Zensur - halten kann, glaubt in der Social-Media-Szene aber so gut wie niemand. Um dem Schicksal von ähnlichen Produkten wie „Parler” zu entgegen, das zwischenzeitlich wegen gehäufter grober Entgleisungen aus den App-Stores von Apple und Google verbannt war, „müssen die digitalen Schiedsrichter bei Truth Social ebenfalls User vom Platz schicken, die den Bogen überspannen”, sagt ein Tech-Experte in Washington. Lesen Sie auch: Trump: Ex-US-Präsident verstopft Toilette im Weißen Haus