Berlin. Am 9. November 1938 machten Deutsche Jagd auf Juden. Der Tag ist ein Gedenktag – zu dem die Bundeswehr einen unpassenden Tweet absetzt.

"Das Heer wünscht eine guten Morgen und einen dynamischen Start in den Tank Tuesday." Mit diesen Worten begrüßte – unter dem Hashtag #PanzerHurra – das Social Media Team des Heers, also einer der drei Teilstreitkräfte der Bundeswehr, am Dienstagmorgen seine Follower bei Twitter. An den meisten anderen Dienstagen des Jahres wäre die Kurznachricht vermutlich unbemerkt untergegangen, hätte sich versendet und die wenigsten hätten von ihr Notiz genommen.

Nur ist dieser Dienstag in Deutschland eben kein gewöhnlicher, kein "Tank Tuesday", sondern der 9. November.

9. November: Was den Tag so besonders macht

Jener Tag ist im Geschichtskalender Deutschlands vielfach markiert – doch wohl nur bei den wenigsten als Tag, an dem die Panzertruppe der Bundeswehr mit ihrem Schlachtruf "Panzer – Hurra!" 70 Tonnen schweren Waffen und ihren Lenkern huldigt. Der 9. November ist der Tag, an dem in Deutschland 1938 jüdische Geschäfte zerstört, Synagogen angesteckt und Menschen erst gejagt und dann getötet wurden. Der Tag, der in der Judenverfolgung im Dritten Reich eine Zäsur bedeutete. Der Tag, seit dem Gewalt gegen Menschen nicht mehr länger nur an Schreibtischen in Nürnberg oder Berlin begangen werden konnte, sondern offen auf der Straße.

Dieser Tweet zum 9. November sorgte für Aufregung.
Dieser Tweet zum 9. November sorgte für Aufregung. © Screenshot Twitter / Funke

Das deutsche Desinteresse am Schicksal von Mitbürgerinnen und Mitbürgern, am Schicksal der Millionen Europäischen Jüdinnen und Juden im Allgemeinen, das Wegschauen bei langen Transportzügen nach Osten und das willige Zugreifen bei arisiertem Besitz, ob Lampenschirm, ob Kaufhaus, ist ohne die Reichspogromnacht nicht erklärbar. Am 9. November testeten die Nationalsozialisten, wie weit sie gehen konnten, ohne dass die Deutschen nennenswert protestieren würden. Und sie lernten, wie weit sie offenbar gehen noch konnten.

9. November: Heer löscht "unsensiblen" Tweet

So dauerte es an diesem Dienstag auch nicht lange, bis der Tweet des Heeres auffiel und Ärger auf sich zog. Die Autorin Jasmin Schreiber etwa antwortete ironisch, es sein "komplett normaler Tweet am 9. November, dem Gedenktag an die Novemberpogrome". Andere forderten "mehr Fingerspitzengefühl" oder verlangten sogar: "Den Laden bitte dichtmachen". Vereinzelt mischte sich auch Unterstützung in die überwiegend kritischen Tweets, der 9. November sei ja schließlich auch der Tag des Mauerfalls.

Der Tweet kann aber auch als Veranschaulichung einer Umfrage der Bundesstiftung für Aufarbeitung verstanden werden. Die hatte deutschlandweit nachgefragt, welche Assoziationen der Tag bei den Befragten weckt. Gerade einmal 13 Prozent der Befragten nannten dabei die Reichspogromnacht, 50 Prozent konnten mit dem Datum überhaupt nichts anfangen.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Am Dienstagnachmittag dann schien die Kritik auch beim Socia Media Team des Heers angelangt zu sein. Es löschte den Tweet erst und erklärte kurz darauf, dieser sei "unsensibel" gewesen. Man bitte um Entschuldigung. Außerdem habe Antisemitismus im Heer keinen Platz. Eine Erklärung, was an dem Tweet unsensibel war, blieb das Heer seinen Followern aber bislang schuldig. Ein offenbar der AfD zugehöriger Twitteraccount bedauerte hingegen die Löschung: "Die Bundeswehr ist doch nicht stabil." Es sei Zeit für eine umfassende Reform.