Nürnberg. Mit seinem Auftritt bei der CSU wollte Armin Laschet einen Moment der Einigkeit schaffen. Gelang es dem angeschlagenen Kandidaten?

Wenn CDU-Vorsitzende Parteitage der CSU besuchen, dann hat das immer etwas von einer Reise in Feindesland. Im günstigsten Fall werden sie dort mit jovialer Herablassung empfangen – so wie 1961, als der damalige CSU-Chef Franz Josef Strauß Konrad Adenauer einen Trachtenhut mit Gamsbart als Symbol der bayerischen Widerborstigkeit überreichte.

Im schlechtesten Fall schlägt ihnen offene Verachtung entgegen, so wie Angela Merkel, als sie sich im November 2015 in München von Horst Seehofer wegen Streitigkeiten in der Flüchtlingspolitik minutenlang auf der Bühne abkanzeln lassen musste.

Auf Armin Laschet wartete am Samstag in der Nürnberger Messehelle noch einmal eine besondere Situation. In der CSU blicken viele mit Wut und wachsender Resignation auf seinen von Pannen und Patzern gespickten Wahlkampf. Andererseits wissen sie, dass das Schicksal der Schwesternpartei eng mit dem der Bundes-CDU verknüpft ist: Fällt diese am 26. September bei den Wählern und Wählerinnen durch, könnte sie die CSU mitreißen.

Wahlkampf: Söder empfängt Laschet in Nürnberg ohne Seitenhiebe

Vor diesem Hintergrund schlug CSU-Chef Markus Söder am Wochenende einen neuen Kurs ein. Hatte er in den vergangenen Wochen mit Seitenhieben immer wieder deutlich gemacht, dass er sich weiterhin für den besseren Kandidaten hält, so stellte er sich in Nürnberg nun uneindeutig hinter Laschet. Man werde ihm einen "sehr warmen, sehr herzlichen und auch einen sehr klaren Empfang" bereiten, hatte Söder schon am Vortag angekündigt. Und darauf hatte er erkennbar nicht nur die CSU-Führung, sondern den ganzen Saal eingeschworen.

So erwartet Laschet, als dieser um kurz vor elf Uhr eintraf, zunächst einmal minutenlanger stehender Applaus und Jubelrufe. Die Strapazen des Wahlkampfs sind ihm anzumerken, er wirkt sichtlich erschöpft, die Stimme ist rau geworden. "Wir wollen, dass du Kanzler in Deutschland wirst", versichert Söder treuherzig, überlässt dann Laschet die Bühne.

Rede beim CSU-Parteitag: Laschet macht Kotau vor der Schwesterpartei

Der CDU-Vorsitzende hat sich vorbereitet. Seine Rede beginnt er mit einem Kotau vor der bayerischen Schwester. Als Nordrhein-Westfale, wo man 50 Jahre in der Opposition gewesen sei, habe man immer "neidvoll auf die CSU geschaut, die seit über 50 Jahren Regierungsverantwortung trägt." Auch schätze er die bayerische Eigenständigkeit, das Selbstbewusstsein, das niemand besser verkörpere als die CSU, sagt Laschet, der während des Studiums eine Zeitlang in München gelebt hat.

In seiner anschließenden knapp einstündigen Rede schafft es Laschet, fast alle wichtigen CSU-Politiker unterzubringen, angefangen vom ersten CSU-Vorsitzenden Josef "Ochsensepp" Müller, der nur knapp das Konzentrationslager in Buchenwald überlebte, über Edmund Stoiber, Ex-Finanzminister Theo Waigel und natürlich Übervater Franz Josef Strauß.

Den zitiert Laschet nach 20 Minuten mit dem Satz: "Irren ist menschlich, immer irren ist sozialdemokratisch." Das Publikum johlt, FJS geht hier immer. Auch für den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann oder den Fraktionsvorsitzenden der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament, Manfred Weber, findet Laschet lobende Worte.

Laschet und Söder stehen gemeinsam auf der Bühne des CSU-Parteitags.
Laschet und Söder stehen gemeinsam auf der Bühne des CSU-Parteitags. © Alexandra Beier/Getty Images | Alexandra Beier/Getty Images

Dann zeichnet er die ganz große Linie: In den schwierigen Momenten der Nachkriegsgeschichte hätten CDU und CSU immer für den richtigen Weg gestanden. Die soziale Marktwirtschaft, die Westbindung, die Wiedervereinigung – all dies habe in der Bevölkerung anfangs keine Mehrheit gehabt, sei aber durch die Geschlossenheit von CDU und CSU durchgesetzt worden.

"In allen Entscheidungen der Nachkriegsgeschichte haben die Sozialdemokraten immer auf der falschen Seite gestanden", fasste Laschet seine recht eigene Geschichtsdeutung zusammen. Die Entspannungspolitik von Willy Brandt, für die er den Friedensnobelpreis erhielt? Die Reform des Sozialstaats durch Gerhard Schröder (von der Angela Merkel als Kanzlerin profitierte)? Für Laschet keine Silbe wert.

Im Netz sorgt das für Ärger, auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kritisiert Laschet für diese Darstellung der deutschen Politik-Geschichte.

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Nur ein einziger SPD-Kanzler hat vor Laschet Bestand. Helmut Schmidt sei bei seiner richtigen Politik des Nato-Doppelbeschlusses von der eigenen Partei im Stich gelassen worden. Am Ende hätte Helmut Kohl als Kanzler durchgesetzt, was Schmidt versprochen haben: „Helmut Schmidt stand für gerade Positionen, er ist an der SPD gescheitert. Nur die Union hat damals Kurs gehalten.“

CDU-Chef Laschet: "SPD und Grüne in der Bundesregierung führen zu weniger Sicherheit"

Der Exkurs in die Geschichte, so wie Laschet sie deutet, dient vor allem einem Ziel: zu zeigen, dass jetzt wieder ein solcher historischer "Wendepunkt" gekommen sei. In wenigen Sätzen umreißt der CDU-Chef das Bild einer bedrohten Weltordnung, erinnert an die Anschläge vom 11. September, den Einsatz in Afghanistan. Nun sei es nicht egal, wer regiere, sagte Laschet. Nötig sei ein "klarer Kurs" und die Übernahme von Verantwortung. So müsse sich Europa in der Außen- und Sicherheitspolitik unabhängiger von den USA machen.

Dann macht Laschet deutlich, wem er diese großen Aufgaben nicht zutraut: einem Bündnis aus SPD, den Grünen und den Linken. Rot-grün würden nur "große Sprüche" machen, sich aber weigern, die Bundeswehr besser auszustatten, etwa mit einer bewaffneten Drohne. "Olaf Scholz, SPD und Grüne in der Bundesregierung führen zu weniger Sicherheit", sagte Laschet. Auch sei Rot-rot-grün "ein Angriff auf den Wohlstand in Deutschland": "Den werden wir nicht zulassen."

Union fordert weiter Abgrenzung der SPD zur Linken – zu Maaßen kein Wort

Es ist die letzte Karte, die die angeschlagene Union in den verbleibenden zwei Wochen vor der Bundestagswahl noch spielen kann: die Warnung, dass unter einem noch nie da gewesenen Koalitionsbündnis das Land schweren Schaden nehmen würde.

Von Olaf Scholz fordert Laschet deshalb erneut eine klare Absage an ein Bündnis mit der Linkspartei. So hat er es auch schon beim ersten TV-Dreikampf gemacht und damit den SPD-Kandidaten kurz in die Enge getrieben. Und so wird die Bemerkung nun bei fast jedem Auftritt wiederholt.

Er könne nicht verstehen, warum es so schwer sei, sich gegen Extremismus klar abzugrenzen, sagt Laschet in Nürnberg. Das ist eine bemerkenswerte Aussage angesichts der Tatsache, wie schwer Laschet sich selbst tut, sich gegenüber den extremen Positionen des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen, der für die Südthüringer CDU in den Bundestag einziehen will, abzugrenzen.

Armin Laschet nimmt Olaf Scholz wegen Razzia ins Visier

Laschet weiß, dass zu viel negatives Campaigning auch den gegenteiligen Effekt haben kann. Doch wie sagt man etwas Positives, ohne dass es dem Gegner zu Gute kommt? Scholz habe vor der Krise einen "einigermaßen" guten Job gemacht, aber auch nur deshalb passabel gewirtschaftet, "weil Angela Merkel so gut auf ihn aufgepasst hat", sagt Laschet schließlich.

Mit Blick auf die kritischen Äußerungen von Scholz zu der Razzia in seinem Ministerium am vergangenen Donnerstag wirft er dem SPD-Rivalen vor, "Zweifel am Rechtsstaat zu säen". Als Politiker müsse man "Vorbild sein und akzeptieren, was die Justiz entscheidet." Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hatte sowohl das Finanz- als auch das SPD-geführte Justizministerium wegen des Verdachts der Strafvereitelung bei einer Unterbehörde des Zolls durchsuchen lassen.

Neue Themen brachte Laschet in Nürnberg nicht ein

Wer an diesem Vormittag auf ein neues Thema gehofft hatte für die Endphase des Wahlkampfs, der wurde enttäuscht. Solide arbeitet Laschet Bekanntes ab: die innere Sicherheit, die nirgendwo in desolaterem Zustand sei als im rot-rot-grün regierten Berlin, der wirtschaftliche Aufschwung, der nicht mit der von links geforderten Steuerhöhungen erzielt werden könne, die Verwandlung Deutschlands in ein klimafreundliches Industrieland, was nur mit der Union möglich sei.

Die politischen Wettbewerber "stehen nicht zu unserem Industrieland", behauptet Laschet und führt als Beispiel die Proteste gegen die Internationale Automobil-Messe IAA in München an, die sich diesmal so grün wie nie inszenierte. "Das man dagegen noch demonstriert, zeigt: manchen geht es nicht um Umweltschutz, sondern um Systemveränderung." Den Grünen hält er vor, mit ihrem Kampf gegen die Atomkraft dem Klimaschutz geschadet zu haben: "Man hätte erst aus der Kohle, dann aus der Kernenergie aussteigen müssen."

Laschet über Wahlkampf: "Nicht alles optimal gelaufen"

Auf Reizthemen wie Gendersprache verzichtet Laschet. Ebenso wie auf Selbstkritik. Nicht alles sei im Wahlkampf "optimal" gelaufen, gibt er lediglich zu. Aber nun stehe es "Spitz auf Knopf". In den nächsten zwei Wochen müsse es darum gehen, die Unentschlossenen zu überzeugen.

Als die Rede vorbei ist, prustet Laschet kurz aus. Es ist eine Geste der Erleichterung. Darüber, beim ersten Auftritt als CDU-Chef bei einem CSU-Parteitag vor dem kritischen Publikum einen pannenfreien Auftritt absolviert zu haben. Noch einmal gibt es Standing Ovation und danach ein Gruppenbild mit Laschet und dem gesamten CSU-Vorstand. "Das war die Rede unseres künftigen Kanzlers Armin Laschet", jubelt Söder pflichtschuldig.

Da strahlt Laschet einen Moment lang. Vielleicht weil er weiß, dass dieses kurze Gefühl des Getragenseins durch die Schwesterpartei nie wiederkommt, wenn es am 26. September schief geht.