Berlin/Peking. Nach nur wenigen Tagen im Amt ist Deutschlands Botschafter in China, Jan Hecker, plötzlich verstorben. Die Todesursache ist unklar.

  • Der deutsche Botschafter in China ist überraschend gestorben
  • Jan Hecker wurde nur 54 Jahre alt
  • Der Diplomat hatte sein Amt erst vor wenigen Tagen angetreten

Wann immer es um Außenpolitik ging, war Jan Hecker der Schatten der Kanzlerin. Ob bei G-7-Gipfeln oder beim Gespräch mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden in ganz kleinem Kreis: Der große schlanke Mann mit dem freundlich-ernsten Gesichtsausdruck war stets an der Seite von Angela Merkel.

Wenn sie am Rande von Gipfeln Pressebriefings gab, hielt er sich immer parat, um auf ein kleines Zeichen von ihr etwas auszuführen oder Hintergrundinformationen zu liefern. Dabei fiel er nicht nur mit einer messerscharfen Analyse auf, sondern auch mit einem Sachverstand, der bis ins letzte Detail ging.

Jan Hecker: Noch am Freitag war er öffentlich aufgetreten

Nun ist Hecker überraschend gestorben. Das Auswärtige Amt gab am Montagmorgen bekannt, dass er nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt als neuer Botschafter von China ums Leben gekommen ist. Über die Umstände seines Todes herrscht noch Unklarheit. Nach Peking war Hecker Anfang August gezogen, hatte sich dort zunächst in die vorgeschriebene Quarantäne begeben. Am Freitag hatte er in seiner Residenz noch eine Veranstaltung über den Künstler Joseph Beuys organisiert. Er habe „glücklich und völlig normal“ gewirkt, sagte ein Gast, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet.

In seinem Umfeld ist die Fassungslosigkeit groß. Frühere Mitarbeiter erlebten Hecker stets als jemanden, der immer hervorragend vorbereitet war und den meisten Gesprächspartnern gedanklich ein paar Schritte voraus. Aber auch als einen sportlichen Menschen, der in privaten Dingen eher zurückhaltend war. Gesundheitliche Probleme sind keine bekannt.

Der Kanzlerin ist die Bestürzung über den plötzlichen Tod anzumerken. „Der Tod Jan Heckers erschüttert mich zutiefst“, ließ sie in einer schriftlichen Stellungnahme wissen. Sie trauere „um einen hochgeschätzten langjährigen Berater von tiefer Menschlichkeit und herausragender Fachkenntnis“. Merkel weiter: „Ich denke voller Dankbarkeit an unsere Zusammenarbeit und bin froh, mit ihm über Jahre so eng verbunden gewesen zu sein. Mein tiefstes Mitgefühl gilt seiner Frau, seinen Kindern und den anderen Angehörigen in ihrem unermesslichen Schmerz.“

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Berater und Botschafter: Wegbegleiter Heckers trauern in den sozialen Netzwerken

Auch in den sozialen Netzwerken formulierten viele politische Wegbegleiter von Hecker sehr persönliche Nachrufe. „Keine Worte können meine Trauer beschreiben, dass du nicht mehr bei uns bist“, schrieb Jacob Schrot, persönlicher Referent von Armin Laschet, auf Twitter: „Dein großes Herz, dein Charakter und dein Verstand werden so vielen Menschen in Erinnerung bleiben, deren Leben du berührt hast. Danke, lieber Jan, und gute Reise.“

China-Botschafter Jan Hecker: „Weltoffener, kluger und feiner Mensch“

Der SPD-Politiker Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, erinnerte auf Twitter an Hecker als einen „weltoffenen, klugen und feinen Menschen“. Die EU-Perspektive der Staaten des Westbalkans habe ihm besonders am Herzen gelegen „Ich bin sehr traurig über seinen plötzlichen Tod“, schrieb Roth.

Seit 2017 war Hecker Merkels Chefberater für Außenpolitik. Sie hatte ihn in diese Position berufen, nachdem ihr jahrelanger außenpolitischer Ratgeber als Botschafter, Christoph Heusgen, als Botschafter zu den Vereinten Nationen gewechselt war.

Merkel-Berater: Er brachte Seehofer von einer geplanten Klage ab

Hecker war Jurist und trotzdem kein typischer Karrierediplomat. Nach dem Studium in Freiburg, Grenoble und Göttingen sowie einer Postgradiertenstation in Cambridge promovierte er zur Europäischen Verfassung, wurde dann Rechtsanwalt. Nach einer weiteren Station im Bundesinnenministerium wurde er 2011 Richter am Bundesverwaltungsgericht zu werden. 2015 übernahm im Bundeskanzleramt eine besonders heikle Aufgabe: Hecker wurde Leiter des Koordinierungsstabs Flüchtlingspolitik.

Jan Hecker war enger Vertrauter der Bundeskanzlerin und begleitete sie, wie hier im Juni 2021, zu Treffen mit hochrangigen Politikern.
Jan Hecker war enger Vertrauter der Bundeskanzlerin und begleitete sie, wie hier im Juni 2021, zu Treffen mit hochrangigen Politikern. © Bundesregierung/AFP | Guido Bergmann

Geräuschlos und zuverlässig organisierte er in politisch aufgeheizter Stimmung und unter Extrembelastung die Verteilung der Flüchtlinge. Noch mehr dürfte Merkel beeindruckt haben, dass es vermutlich ihm zu verdanken war, dass die bayerische Regierung damals nicht gegen ihre Flüchtlingspolitik klagte. Nachdem der damalige CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer einen entsprechenden Schritt angekündigt hatte, fertigte Hecker eine juristische Einschätzung einer solchen Klage ein, die die bayerische Regierung bekam. Seehofer verzichtete schließlich.

Eines von Heckers letzten großen Projekte: eine Lösung im Streit um Nordstream II

Zuletzt war Hecker viel mit dem transatlantischen Verhältnis befasst, reiste unter anderem nach Washington, um in Gesprächen mit der neuen Biden-Regierung eine Lösung im Streit um die Gaspipeline „Nordstream II“ zu finden.

Bereits Ende 2020 hatte Merkel Hecker zum neuen Botschafter in China ernannt. Angesichts der wachsenden Rolle der Volksrepublik in der globalen Weltordnung ist es einer der wichtigsten, wenn nicht sogar der wichtigste Botschafterposten. Solche Nominierungen sind aber auch immer eine Art Belohnung für Berater, die jahrelang einen Großteil ihres Lebens buchstäblich Tag und Nacht in den Dienst der Regierung gestellt haben. Im Gegensatz zu diesen 24-Stunden-Knochenjobs bietet das Botschafter-Dasein auch allerlei Annehmlichkeiten und mehr Zeit für die Familie. Hecker war verheiratet und hatte drei Kinder. Er wurde nur 54 Jahre alt.