Berlin. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz schließt Rot-Rot-Grün nicht aus. Er stellt aber Bedingungen – dazu zählt auch ein Bekenntnis zur Nato.

Wer ihn wähle, versichert Olaf Scholz, „bekommt auch das, was er bestellt“. Er würde nur eine Regierung bilden, bei der alle Parteien einverstanden seien, „dass wir die transatlantische Partnerschaft pflegen müssen, dass wir die Verpflichtung, die wir mit der Nato gemeinsam einzugehen haben, auch eingehen“, sagte der Kanzlerkandidat der SPD bei „Bild“-TV.

Scholz war nicht nach der Außenpolitik gefragt worden, sondern vielmehr danach, ob er ein Bündnis mit der Linken eingehen würde – ja oder nein? So ultimativ lässt er sich auf die Frage nicht ein. Er nennt stattdessen Bedingungen: eine starke EU, solide Finanzen und die innere Sicherheit.

Scholz will in erster Linie eine Ampel, nicht Rot-Rot-Grün

Die klare Antwort bleibt er schuldig. In erster Linie schaut er auf die Grünen und die FDP. Aber zum „progressiven Bündnis“, von dem SPD-Chefin Saskia Esken gern redet, könnte die Linkspartei zählen. Beide Seiten schließen es nicht aus.

Unionskanzlerkandidat Armin Laschet erwartet von seinem Kontrahenten, „dass er klipp und klar sagt: Mit der Linken werden wir nicht koalieren.“ CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak warnt wiederum, wer FDP wähle, „muss in Kauf nehmen, dass er am Ende mit Esken und Kühnert am Kabinettstisch aufwacht“. Esken und der frühere Juso-Chef Kevin Kühnert sind die Feindbilder der Union. Ihnen traut sie alles zu – mit der Linkspartei genauso wie mit den Liberalen.

Das erste Ziel von Scholz ist, dass die SPD bei der Bundestagswahl am 26. September vor den Grünen landet. Dann könnte er einen Führungsanspruch anmelden. Das Ziel erscheint realistisch.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz will mit der SPD bei der Bundestagswahl vor den Grünen und möglichst auch vor der Union landen.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz will mit der SPD bei der Bundestagswahl vor den Grünen und möglichst auch vor der Union landen. © AFP | LEON KUEGELER

Nullsummenspiel zwischen Sozialdemokraten und Grünen

Indes geht oft unter, dass in den Umfragen die Gewinne und Verluste zwischen beiden Parteien fast ein Nullsummenspiel sind. Vor gut sechs Monaten, am 4. Februar, lag die SPD im „Deutschlandtrend“ bei 15 Prozent, die Grünen bei 21 Prozent, die Linke bei sechs Prozent – am vergangenen Freitag lauteten die Ergebnisse 21 (SPD), 17 (Grüne) und sieben (Linke).

Zusammen kommen sie auf 45 Prozent. Das würde für eine Mehrheit nicht reichen. Im Kern haben sich die Kräfteverhältnisse zwischen SPD und Grünen bloß gedreht.

Der linke Flügel der SPD hält still. Weder warnt er vor der FDP. Noch wirbt er für die Linkspartei. Es fehlt ein klarer Lagerwahlkampf, die Zahl der Rot-Rot-Grün-Befürworter ging zuletzt zurück. Einer, der an den Schnittstellen zwischen den drei Parteien unterwegs war, Stefan Liebich von der Linken, kandidiert nicht mehr für den Bundestag. Andocken könnte die SPD aber beim Thüringer Regierungschef Bodo Ramelow und beim gemäßigten Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch.

Die SPD scheut die Debatte um ein Linksbündnis

Gespräche mit linken Sozialdemokraten zu R2G, wie das potenzielle Bündnis auch genannt wird, beginnen in diesen Tagen schon mal mit dem Satz „Von mir kriegen Sie keine Zitate“. Die SPD will die Debatte nicht befördern. Hinter vorgehaltener Hand hört man viel Enttäuschung und Ernüchterung. Die Hauptdifferenz liegt in der Außen- und Sicherheitspolitik. Die Linkspartei will die Geheimdienste abschaffen und die Nato überwinden. Selbstredend lehnt sie Auslandseinsätze der Bundeswehr rundweg ab.

„Außenpolitisch muss ich sagen, dass die SPD nach dem Scheitern in Afghanistan nun wirklich nicht in der Position ist, Bekenntnisse einzufordern“, sagte Linke-Parteichefin Janine Wissler unserer Redaktion. „Eher wäre da kritische Selbstreflexion angebracht.“ Scholz aber hält am transatlantischen Bündnis fest. Außenpolitische Verlässlichkeit gehöre „zu unseren Stärken“ und stehe „nicht zur Disposition“, beteuert auch SPD-Chef Norbert Walter-Borjans.

Linke-Chefin Janine Wissler findet, „dass die SPD nach dem Scheitern in Afghanistan nun wirklich nicht in der Position ist, Bekenntnisse einzufordern“.
Linke-Chefin Janine Wissler findet, „dass die SPD nach dem Scheitern in Afghanistan nun wirklich nicht in der Position ist, Bekenntnisse einzufordern“. © Reto Klar | Reto Klar

Die Linke scheint nicht abgeneigt

Es gibt allerdings auch eine andere Interpretation in der SPD – dass mit dem Ende des Afghanistan-Einsatzes auch ein Stolperstein in der Außenpolitik verschwunden sei. Und: Das in der Vergangenheit größte Hindernis habe sich im Laufe der Jahre erledigt – die Hartz-Reform. Ein Linksbündnis ist möglich, Wissler schließt es nicht aus, sondern findet es nach eigenen Worten „interessant, dass Scholz schon laut über eine Koalition mit der Linken nachdenkt“.

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Wenn er wirklich eine Regierung mit soliden Finanzen anstrebe, sei er mit dem Programm der Linken „am besten bedient“. Eine starke EU sei „auch ein Anliegen der Linken, wenn es denn auch eine Stärkung der demokratischen Institutionen in der EU beinhaltet“, sagt sie.

Bei der Verabschiedung ihres Wahlprogramms gab es für die Linke zunächst keinen Grund, Maximalpositionen zu räumen. Warum auch? Damals schien die SPD schwach und eine Regierungsbeteiligung unrealistisch. Jetzt könnte sich eine neue Situation und für die Linke die Chance zum Regieren ergeben. Im linken Flügel der SPD heißt es, nach einer Wahl solle man alle Möglichkeiten „sondieren“ – auch mit der Linken.