Berlin. Der Hilfsfonds für die Flutopfer in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ist politisch stimmig. Das Corona-Management ist es nicht.

Der wichtigste Beschluss der Bund-Länder-Konferenz ist der Hilfsfonds für die Opfer der Flut. Er schafft Vertrauen und Verlässlichkeit. Im Affekt gestaltet man ihn mit einem Volumen von 30 Milliarden Euro großzügig. Zum Affekt gehören die Wucht der Bilder der Zerstörung, aber auch die Wahlkampfsituation: Der Hauptforderer (Laschet) und der Hauptförderer (Scholz) konkurrieren miteinander.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) will mit Tatkraft, Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in Spendierhosen glänzen. Der Zufall will es, dass die letzten Flutkatastrophen auf Wahljahre fielen, 2002, 2013, 2021. Man kann es Glück im Unglück nennen. Die Regierungschefs von NRW und Rheinland-Pfalz wissen genau, warum sie auf rasche Mittelbewilligungen drängten.

Überzeugende Reaktion auf die Flutkatastrophe

Geld bringt Verantwortung mit sich. Wenn der katastrophale Starkregen eine Folge des Klimawandels ist, darf der Wiederaufbau genau das nicht sein: ein Wiederaufbau. Er muss dem Umstand Rechnung tragen, dass solche sogenannten Ausnahmesituationen sich häufen können – er muss im Zeichen der Vorbeugung stehen. Und natürlich wird die "unkonventionelle" Hilfe Betrüger, Luxussanierer und Krisengewinnler auf den Plan rufen. Auch darauf gilt es zu achten.

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    Die Katastrophe wird zwar häufig dem Klimawandel zugeschrieben, aber die Finanzierung kann nur so großzügig ausfallen, weil man solche Lagen für die große Ausnahme hält. Die Finanzierung folgt einer Zeitschiene von 30 Jahren. Wenn sich Naturkatastrophen häufen, wird der Staat das Hilfsniveau nicht aufrechterhalten können. Man muss eine Versicherungspflicht auf Elementarschäden ernsthaft ins Auge fassen, weil sie eine Form des solidarischen Ausgleichs wäre. Lesen Sie hier: "Versager": Armin Laschet wegen Flutmanagement beschimpft

    Insgesamt ist der Hilfsfonds eine großartige Geste. Sie führt uns zum Kern unseres Gemeinwesens. In der Staatsform der Bundesrepublik verbirgt sich die Verpflichtung zum Zusammenhalt, in der sozialen Marktwirtschaft das solidarische Selbstverständnis. So ist der Umgang mit den Folgen der Katastrophe auch eine Bewährungsprobe, die überzeugender ausfällt als beim zweiten Thema der Konferenz: die Corona-Krise.

    Miguel Sanches, Politik-Korrespondent.
    Miguel Sanches, Politik-Korrespondent. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

    In Sachen Corona fehlen der Regierung die Ideen

    Konkret ist die Konferenz im Setzen neuer Härten, diesmal mit der Kostenpflicht für Schnelltests. Da Geimpfte von Testpflichten befreit sind, werden nur Ungeimpfte belastet. Das ist zumutbar. Aber es wird hinfällig, sollte sich herausstellen, dass Geimpfte genauso das Coronavirus weitergeben können. Dann wäre die einseitige Kostenpflicht diskriminierend. Man muss viele Ministerpräsidenten an ihren eigenen Ansprüchen messen.

    Im Vorfeld wurde nach mehr Indikatoren zur Bewertung der Lage als nur der Inzidenz gerufen. Aber nun ist bloß allgemein davon die Rede, dass Inzidenz, Impfquote und die Zahl der schweren Krankheitsverläufe "genau beobachtet" werden. Die Abkehr von der 3-G-Regel (Zutritt nur für geimpfte, genesene oder getestete Personen) wird wieder allein an die Inzidenzen geknüpft. Wer so ideenlos ist, lässt dem Bundestag fast keine andere Möglichkeit, als die Epidemie nationaler Tragweite zu verlängern.

    Das Lage hat sich verändert, die Denkmuster bleiben gleich

    Es fehlt ein neuer Kriterienkatalog, da kommt man über Stückwerk nicht hinaus. Es rächt sich, dass beizeiten nicht definiert wurde, wie wir mit dem Virus leben könnten. Die Situation ist fundamental anders als vor einem Jahr: Mehr als 62 Prozent der Bürger haben eine Impfung, gut die Hälfte ist vollständig geschützt. Aber die Lage wird unverdrossen nach alten Denkmustern beurteilt.

    Während in Großbritannien alle Auflagen wegfielen und Dänemark das für Oktober anpeilt – keine Masken- oder Testpflicht –, soll die deutsche Bevölkerung nicht aus dem Alarmmodus raus. Verlangt man denn wirklich zu viel von der Politik, wenn man erwartet, dass sie einen Pfad zur Normalität aufzeigt?