Carbis Bay. Dämpfer für die Gipfel-Show des britischen Premiers Johnson. Führende EU-Politiker lesen ihm die Leviten. Aber er droht mit Eskalation

Eigentlich soll es beim G7-Gipfel um die großen globalen Fragen gehen. Doch das Treffen der Staats- und Regierungschefs im südenglischen Cornwall wird von einem hässlichen Brexit-Streit überlagert. Gipfelgastgeber Boris Johnson ließ Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Gesprächen am Rande des Treffens auflaufen – und droht nun mit Eskalation.

Einige EU-Politiker wollten nicht verstehen, dass das Vereinigte Königreich ein geeintes Land sei, schimpfte Johnson. "Das muss ich in ihre Köpfe bekommen." Merkel forderte dagegen, dass Johnson Verträge einhalten müsse. Und Macron drohte mit Folgen für das britisch-französische Verhältnis.

Es geht um britische Würste und Hackfleisch

Es geht um Lebensmittellieferungen aus Großbritannien nach Nordirland. Die Provinz gehört weiter zum Vereinigten Königreich – doch nur in Nordirland gelten trotz Brexit weiter viele Regeln der EU-Zollunion und des EU-Binnenmarktes, damit es auf der irischen Insel keine Grenzkontrollen zwischen EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland gibt. Stattdessen hat sich Großbritannien zu Kontrollen für den innerstaatlichen Warenverkehr mit Nordirland verpflichtet.

Doch Johnson zögert die Kontrollen für Lebensmittel aus Großbritannien immer weiter hinaus, was unter anderem die Lieferung von gekühltem Fleisch betrifft: Britische Würste, Hackfleisch oder Chickennuggets. Die Europäische Union droht, die Einfuhren ab Ende Juni nicht mehr zu hinzunehmen. Der "Wurstkrieg", wie die drohende Krise in London genannt wird, wäre da.

Johnson droht mit Grenzkontrollen auf der irischen Insel

Johnson begründet die Verzögerung damit, dass sonst die Lebensmittelversorgung in Nordirland gefährdet wäre. Doch die EU pocht auf Einhalt der Vereinbarungen. Erst redete Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Rande des Gipfels auf Johnson ein: Alle Bemühungen, das Verhältnis zwischen Paris und London zu verbessern, hingen davon ab, dass der Premier sein Wort zu Nordirland im Brexit-Vertrag halte, sagte Macron. Dann versuchten es von der Leyen und Merkel. Vergeblich. "Beide Seiten müssen das umsetzen, was wir vereinbart haben", sagte von der Leyen. Johnson blieb hart.

Nach den Gesprächen erklärte der Premier, er werde die Einheit des Landes auch mit einseitigen Maßnahmen schützen – was erklärtermaßen einschließt, dass Johnson Teile des Abkommens suspendiert und es doch zu Kontrollen zwischen Nordirland und der Republik Irland käme. Für die EU wäre das eine politische Katastrophe. Die Kommission hat bereits mit Sanktionen für den Handel mit Großbritannien gedroht. Die Welthandelsorganisation WTO äußerte sich besorgt und mahnte, die Spannungen dürften nicht in einen Handelskrieg münden.