Berlin. Der Lobbyverband INSM hat Anzeigen mit Annalena Baerbock als Verbots-Moses geschaltet. Eine Provokation sieht der Verband darin nicht.

Annalena Baerbock in dunkelgrünem Gewand und zwei Steintafeln mit Verboten in der Hand - eine Werbeanzeige der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) zeigt die Grünen-Kanzlerkandidatin als Moses. Auf den Steintafeln stehen statt der zehn Gebote zehn Verbote.

Darunter sind Sätze wie "Du darfst kein Verbrenner-Auto fahren", "Du darfst nicht schöner Wohnen", "Du darfst bei der Rente keine Rücksicht auf deine Kinder und Enkel nehmen". Geschaltet wurde diese Anzeige unter anderem in den Politikteilen der "FAZ" und der "Süddeutsche Zeitung".

Offenbar sieht die INSM in diesem Wahlkampf Baerbock als größte Bedrohung für sich - und für die freie Marktwirtschaft. Im Wahlprogramm der Grünen geht es vor allem um Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit. Die Grünen wollen beispielsweise ein Tempolimit auf Autobahnen, höhere Klimaziele, und ein Verbot von Kurzstreckenflügen auf den Weg bringen. Außerdem stehen ein deutschlandweiter Mietendeckel und ein höherer Spitzensteuersatz auf dem Programm. Das passt der INSM wohl gar nicht.

Lesen Sie auch: Grüne: Baerbock präzisiert ihren Lebenslauf erneut

Die Anzeigen der INSM mit Annalena Baerbock als Verbots-Moses sollen Online noch über das ganze Wochenende geschaltet werden.
Die Anzeigen der INSM mit Annalena Baerbock als Verbots-Moses sollen Online noch über das ganze Wochenende geschaltet werden. © Screenshot "Zeit" | Screenshot "Zeit"

Baerbock als Moses: Sieht INSM die Grünen als Bedrohung?

Bei der INSM handelt es sich um eine Interessengemeinschaft, die auch Lobbyarbeit macht. Gegründet wurde sie 2000 vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Träger sind heute die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie. Der Zusammenschluss der Arbeitgeberverbände ist es auch, der die INSM laut offiziellen Angaben mit einem Jahresetat von sieben Millionen Euro ausstattet.

Trotz dieser engen Verpflechtung spreche man nicht für die Arbeitgeberverbände, auch nicht bei der Baerbock-Kampagne, betont die INSM auf Anfrage. " Wir haben unsere eigene Zielsetzung", heißt es von der Interessengemeinschaft, die sich als Denkfabrik bezeichnet. Eingetragen ist sie als GmbH.

Financier der INSM: Metallverbände mit Abstand größte Parteienspender

Gesamtmetall, Gründer der INSM, als bundesweiter Verband spendet nicht an Parteien. Allerdings sind die in dem Verband organisierten regionalen Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie insgesamt mit Abstand der größte Parteispender in Deutschland. Gesamtmetall als Bundesverband tritt zudem regelmäßig als Sponsor bei Parteiveranstaltungen auf. Wie viel dafür ausgegeben wird, ist unbekannt.

Die Metallverbände, die über die Gesamtmetall die INSM finanzieren, spendeten in den vergangenen Jahren an mehrere Parteien. Am meisten Geld erhielt mit Abstand die CSU – wenn man sich lediglich auf die Spenden über 50.000 Euro bezieht, die die Parteien verpflichtend öffentlich machen müssen.

Lesen Sie auch den Kommentar: Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock: Adieu, Kanzleramt!

So erhielt die CSU von den Arbeitgeberverbänden der Metallindustrie gerade in den süddeutschen Bundesländern über zwei Millionen Euro in der aktuellen Legislaturperiode seit Ende September 2017. Die FDP erhielt 640.001 Euro, die CDU 655.000 Euro und die SPD 330.003 Euro auf ihr Parteikonto. Allerdings gingen auch die Grünen in diesem Zeitraum definitiv nicht leer aus: Ihnen spendeten die Landes-Arbeitgeberverbände 530.003 Euro laut Bundestags-Register. Dies könnte auch mit der grün-geführten Regierung in Baden-Württemberg zusammenhängen.

In der Vergangenheit setze sich die INSM für niedrigere Steuern und die Abschaffung des Soli ein. Aufsehen erregte eine INSM-Kampagne aus dem Jahr 2013. Dafür wurden Vodoo-Puppen an alle Bundestagsabgeordneten geschickt. Im Paket waren auch Nadeln mit Fähnchen, auf denen Wahlversprechen standen, um die Puppen damit zu spicken.

Kritik auf Twitter an Kampagne gegen Baerbock – INSM wehrt sich

Auf Twitter hallte den Neoliberalisten eine Menge Kritik entgegen. Viele Nutzer halten es für falsch, dass sich INSM auf diese Weise in den Wahlkampf einmischt. Einige Twitter-User spotteten zudem über die Parallele zu Moses, der ja laut Altem Testament das Volk Israel durchaus ins gelobte Land geführt habe. Auch der Grünen-Politiker Cem Özdemir reagierte auf die Anzeige.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Eine Provokation sieht man bei der INSM in der Anzeige nicht, räumt aber im Gespräch mit unserer Redaktion ein: "Natürlich ist uns bewusst, das man bei einer Werbeanzeige gut beraten ist, damit auch Aufmerksamkeit zu erzeugen." Man spreche sich nicht gegen eine grüne Kanzlerschaft aus, sondern gegen eine Regierung die Ziele über Verbote und Vorschriften erreichen wolle, "statt sich auf die Marktkräfte der sozialen Marktwirtschaft zu berufen", sagte der Pressesprecher der INSM.

Eine öffentliche Präferenz der INSM für eine andere Partei gebe es nicht. "Natürlich kann jeder der will die Überzeugung der INSM gegen die Wahlprogramme der Parteien abgleichen und wird mal mehr oder weniger Überschneidungen finden", so der Sprecher. Von der AfD distanziere man sich aber ausdrücklich. Dass die Wahl auf Baerbock gefallen sei, habe nichts mit ihr als Person zu tun, so die INSM. "Wenn Herr Habeck Spitzenkandidat der Grünen wäre, hätte er da als Moses gesessen."

BDA distanziert sich von Kampagne gegen Baerbock

Die Anzeige soll in Printprodukten nicht mehr gedruckt werden. Online sei sie noch bis zum Ende des Wochenendes geschaltet.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) distanzierte sich am Freitag umgehend: „Persönliche Herabsetzungen und eine misslingende Verwendung christlicher Symbolik sind kein angemessener Umgang im notwendigen Wettstreit um politische Inhalte.“ Dies sei nicht der Stil der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. „Sozialpartnerschaft ist vom gegenseitigen Respekt getragen“, teilte der Verband mit.