Washington. Berater der Bundeskanzlerin reisen nach Washington. In Gesprächen soll es wohl auch um die umstrittene Gaspipline Nord Stream 2 gehen.

Wenige Tage vor der ersten Europa-Visite des neuen US-Präsidenten Joe Biden und zum ersten Mal nach Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 kommt am Mittwoch ein hochrangiges Verhandlungsteam von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Washington.

Nach Informationen dieser Redaktion werden die Experten unter Leitung von Jan Hecker, außenpolitischer Berater der Kanzlerin, und Lars-Hendrik Röller, Merkels Chef-Wirtschaftsberater und Sherpa bei den internationalen Gipfelrunden G 7 und G 20, unter anderem mit Jake Sullivan, Nationaler Sicherheitsberater des Präsidenten, und der neuen Handelsbeauftragten Katherine Tai zusammentreffen.

Das Auswärtige Amt in Berlin soll dem Vernehmen nach durch Staatssekretärin Antje Leendertse vertreten sein. Die gebürtige Moerserin koordinierte zuletzt den transatlantischen Gesprächsfaden beim Streit-Thema Nord Stream 2. Die nahezu fertiggestellte Pipeline soll zum Verdruss der USA Europa zusätzlich mit russischem Gas versorgen.

Nord Stream 2 soll zu Ende gebaut werden

Nachdem Präsident Biden vor wenigen Tagen gegen lautstarke Proteste im Kongress entschieden hatte, dass Washington vorläufig keine Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG und deren deutschen Geschäftsführer Matthias Warnig verhängen will, um das Verhältnis zu Deutschland nicht zu strapazieren, wird in der US-Hauptstadt ein substanzielles Entgegenkommen Berlins erwartet.

Ob Hecker, Röller & Co. bereits Angebote mitbringen oder nur Wünsche einsammeln, ist öffentlich bisher nicht bekannt.

Im Umfeld der US-Regierung war zuletzt inoffiziell zu hören, dass die Pipeline zwar zu Ende gebaut werden könne, aber erst dann in Betrieb genommen werden dürfe, wenn der Kreml (Siehe Ukraine, Siehe den Umgang mit dem Oppositionellen Alexej Nawalny und Siehe zuletzt den Fall des weißrussischen Regimekritikers Roman Protassewitch) ein anderes Verhalten an den Tag lege.

Spannungen könnten zur Sprache kommen

Bei der Begegnung Röller - Tai, der Nachfolgerin des Handelsbeauftragten der Trump-Regierung, Robert Lightizer, wird erwartet, dass die unveränderten Spannungen im transatlantischen Wirtschaftsleben zur Sprache kommen.

Nachdem er die Verhandlungen über das Wirtschaftsabkommen TTIP gestoppt hatte, ließ der frühere Präsident Donald Trump zum Beispiel Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte aus Europa verhängen. Worauf die Europäische Union mit Vergeltungszöllen reagierte. Diese Strafmaßnahmen sind viereinhalb Monate nach Amtsantritt Bidens noch immer in Kraft.

Abseits dieser großen Brocken böten sich mit dem auf Hochtouren laufenden US-Truppenabzug aus Afghanistan, der die Deutsche Bundeswehr betrifft, und der noch konturenlosen China-Politik Bidens weitere Themen bei der ersten Aussprache von Angesicht zu Angesicht an. Dabei ist das Zeitbudget eng begrenzt.

Biden wird im Juni in Großbritannien erwartet

Bereits am Donnerstagmorgen sollen die deutschen Emissäre wieder in Berlin sein. Etwas ungewöhnlich aber offenbar logistischen Gründen geschuldet: Treffpunkt für die hochrangige Zusammenkunft ist die Residenz der Deutschen Botschafterin in Washington, Emily Haber, im Stadtteil Georgetown und nicht das Weiße Haus oder das Außenministerium. Dessen Führungsfigur, Antony Blinken, wird Ende Juni zur ersten offiziellen Visite an der Spree erwartet, heißt es in diplomatischen Kreisen.

Präsident Biden wird vom 11.-13. Juni zum G 7-Gipfel im britischen Cornwall erwartet. Am 14. Juni wird er am Nato-Spitzentreffen in Brüssel teilnehmen, wo am gleichen Tag auch ein EU-USA-Gipfel geplant ist. Abschluss der ersten Europa-Dienstreise des 78-Jährigen wird nach jetzigem Stand am 16. Juni ein Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Genf sein.

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