Berlin. Parallel zum Konflikt in Nahost flammt auch der Judenhass wieder auf. Dem muss klar entgegengetreten werden, kommentiert unser Autor.

Wer Juden den Tod wünscht, hat in Deutschland keinen Platz. Wer israelische Flaggen verbrennt, gehört bestraft. Wer Fenster von Synagogen einschmeißt, ist ein gewalttätiger Antisemit. Punkt. Keine Diskussion. Und eigentlich könnte dieser Kommentar hier enden.

Um die besondere Verantwortung von Deutschland gegenüber jüdischen Mitmenschen und ihren Gemeinden zu verstehen, lohnt ein Blick ins Geschichtsbuch. Zum Beispiel in das Werk von Christopher Browning über „ganz normale Männer“. Mitglieder der Polizeibataillone im NS-Staat pferchen im Windschatten des deutschen Angriffskriegs Juden zusammen, Männer, Frauen und Kinder, und erschießen sie in Gruben am Rand der Ortschaften, bis manche von ihnen mit ihren Stiefeln im blutigen Sand stehen.

Politikkorrespondent Christian Unger.
Politikkorrespondent Christian Unger. © Reto Klar | Reto Klar

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Die Sicherheit jüdischen Lebens und das Existenzrecht Israels sind für Deutschland unverhandelbar. Das ist die Verpflichtung aus der deutschen Vergangenheit. Wenn jetzt Synagogen beschädigt, Juden beschimpft und Israels Fahnen verbrannt werden, dann gibt es dafür keinen Raum für Toleranz.

Auch die Corona-Pandemie hat den Antisemitismus befeuert

Es gibt Judenhass in Deutschland – er war nie weg. Antisemitismus hat viele Gesichter. Vor allem Rechtsextremisten beschmieren jüdische Friedhöfe, einzelne greifen Synagogen mit Waffen an. Linke Extremisten wettern in Hasspostings gegen „Zionisten“ und wollen Israel boykottieren. Die Corona-Pandemie hat den Antisemitismus befeuert. Ideologen sehen hinter globalen Impfkampagnen eine „jüdische Lobby“, die „die Welt unter Kontrolle bringen“ wolle.

In diesen Tagen aber kommt der Hass gegen Juden stark von radikalen Muslimen, türkischen Rechten und Anhängern der palästinensischen Hamas. Feindschaft zum Judentum ist Kern islamistischer Ideologie, immer stärker auch mit organisierter Hetze im Internet. Wer sich Judenhass in den Weg stellen will, darf dies nicht mehr nur mit Lichterketten auf der Straße tun. Widerspruch braucht es auch in den sozialen Medien.

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Antisemitismus: Wer Judenhass propagiert, äußert keine Meinung

Keine Frage: Es darf Demonstrationen für ein „freies Palästina“ geben. Angehörige, die um das Leben ihrer Verwandten in Gaza fürchten, dürfen ihren Unmut kundtun. Die israelische Regierung darf kritisiert werden – das tun im Übrigen auch sehr viele Menschen in Israel selbst. Doch eine Synagoge ist keine Botschaft eines Staates. Und wer Judenhass propagiert, äußert keine Meinung. Das zu verurteilen, ist kein Rassismus. Das sehen in Deutschland übrigens auch sehr viele Muslime so.

Häufig kommt Antisemitismus im Gewand der „Israelkritik“ daher. Dabei ist die Grenze zur Judenfeindlichkeit klarer, als viele behaupten. Wer Israel das Existenzrecht abspricht, äußert sich antisemitisch. Wer Aktionen der israelischen Regierung mit Verbrechen des Nationalsozialismus vergleicht, verharmlost den Holocaust. Wer alle Jüdinnen und Juden verantwortlich für das Agieren des israelischen Staates macht, betreibt Antisemitismus.

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Behörden müssen zusätzlichen „importierten Antisemitismus“ ernst nehmen

Die Statistiken der Polizei sprechen eine klare Sprache: Das Gros der antisemitischen Straftaten haben ein rechtsextremes Motiv. Doch kommen Anfeindungen von türkischen Nationalisten, rechten „Grauen Wölfen“ und jungen Muslimen, einige sind gerade erst nach Deutschland geflohen. Die Gefahr eines zusätzlichen „importierten Antisemitismus“ müssen die Behörden, müssen Sozialarbeiter und Schulen, aber auch muslimische Gemeinden ernst nehmen.

„Du Jude“ ist zum Schimpfwort geworden. Doch nicht Juden sind das Problem – sondern Antisemiten. Wie Widerspruch geht, hat eine Schülerin aus Dresden vorgemacht. Als in der Klasse geschmacklose Judenwitze kursieren, zeigt sie die Mitschüler an: wegen Volksverhetzung.

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