Hamburg. Die reichen Länder bleiben verwundbar, solange die armen Länder nicht vor dem Coronavirus geschützt sind.

Selten wurde die Spaltung der Welt in Arm und Reich so deutlich wie in diesen Corona-Tagen. In China und Amerika brummt die Wirtschaft wieder. In Europa sehnen die Menschen die Pfingst- und Sommerferien herbei. In Indien hingegen sterben Covid-Kranke aus Sauerstoffmangel vor den Krankenhäusern. Auch in großen Teilen Lateinamerikas und Afrikas breiten sich das Virus und gefährliche Mutanten rasant aus.

Der Grund für die weltweite Corona-Kluft: Die einen sind geimpft, die anderen nicht. In Israel erhielten bereits 62,5 Prozent der Bevölkerung den ersten Piks, in den USA 44,4 Prozent und in Deutschland immerhin mehr als 30 Prozent. Dagegen erreichen viele ärmere Länder eine Impfquote im unteren einstelligen Bereich. Bei den Habenichtsen dieser Welt sind bislang nur 0,3 Prozent aller gelieferten Vakzine angekommen.

Vorstoß der US-Regierung ist vom Prinzip her richtig

Deshalb ist der Vorstoß der US-Regierung, die Patente auf Impfstoffe freizugeben, vom Prinzip her richtig. Der Grundgedanke: Angesichts der Pandemie sitzen wir alle in einem Boot. Es gibt keine privilegierten Länder, die sich durch eine komplette Durchimpfung in eine Luxusklasse katapultieren können. Sie bleiben verwundbar, solange auch die armen Länder nicht geschützt sind.

Können sich aggressive Varianten dort ausbreiten, kommen sie irgendwann auch in die vermeintlich virusfreien Zonen. Bemerkenswert, dass der Vorschlag aus den Vereinigten Staaten kam. Jenem Land, das das Motto „America First“ nicht nur in der Trump-Ära überstrapaziert hat. Auch unter Präsident Joe Biden galt lange Zeit ein weitgehendes Exportverbot für Impfstoffe.

Vakzine könnten gepanscht werden

Dennoch kann die US-Idee nicht eins zu eins umgesetzt werden. Die hochkomplexen Anlagen von Biontech/Pfizer, Moderna & Co. lassen sich nicht einfach nach Malawi, Bangladesch oder Ecuador ausgliedern. Auch ist es nicht damit getan, die Impfstoff-Formel freizugeben. Es fehlt in vielen Ländern an den entsprechenden Fabriken, die die weltweit hergestellten Spezialstoffe verarbeiten können.

Zudem ist es schwierig, bei einer Aussetzung des Patentschutzes Missbrauch zu verhindern. So könnten Vakzine gepanscht und gegen teures Geld weiterverkauft werden. Jedweder Transfer von Wissen und Technik muss kontrolliert werden.

Es müssen mehr Vakzine an finanzschwache Länder geliefert werden

Gleichwohl ist die neuerdings auch von Biden vertretene Idee der globalen Impf-Solidarität wichtig. Es müssen viel mehr Vakzine an finanzschwache Länder geliefert werden. Hier ist vor allem die internationale Impf-Allianz Covax gefragt. Sie stellt armen Ländern Präparate umsonst oder zu verbilligten Preisen zur Verfügung. Doch die ehrgeizigen Pläne, bis Ende des Jahres zwei Milliarden Impfdosen zu vergeben, stocken.

Dies hat auch damit zu tun, dass Covax zum Großteil von den Astrazeneca-Mitteln abhängt, die in Indien produziert werden. Aber das südasiatische Land hat einen Ausfuhrstopp verhängt, weil es angesichts des Corona-Tsunamis zu Hause die Vakzine nun selbst braucht.

Pharmafirmen stehen in der moralischen Pflicht

Umso mehr stehen die Pharmafirmen in der moralischen Pflicht. Sie haben in einer Notsituation viele Milliarden Euro staatliche Investitionsspritzen bekommen. Sie müssen nun verstärkt auch für die Ärmsten der Armen produzieren. Wo möglich, sollten sie nach lokalen Partnern Ausschau halten, die die Impfstoffe schnell verteilen können. Dass die Betriebe Gewinne machen wollen, um ihre teure Forschung zu finanzieren, ist legitim.

Aber vielleicht muss es in diesen Zeiten nicht die maximale Marge sein. Die Regierungen der reichen Länder könnten dies mit zusätzlichen Geldern flankieren. Aus Verantwortung gegenüber den Ärmeren – und aus Vorbeugung. Denn eines ist klar: Diese Pandemie wird nicht die letzte sein.