Berlin. Der Impfgipfel von Bund und Länder hat wenig Konkretes hervorgebracht. Das ist Politik im Schneckengang, kommentiert Jörg Quoos.

Eigentlich sollte es ein „Gipfel der Hoffnung“ sein, so CSU-Chef Markus Söder. Aber am Ende war es ein Gipfel der Enttäuschung. Was bei der jüngsten Unterredung der Bundeskanzlerin mit den sechzehn Ministerpräsidenten an konkreten Beschlüssen herauskam, ist derart mager, dass man es wohlwollend nur so zusammenfassen kann: Immerhin wurde nicht wieder heillos gestritten, keiner hat „Candy Crush“ gezockt und das Treffen war rechtzeitig zum Abendbrot beendet.

Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten sollten sich ernsthaft fragen, ob eine derart hochkarätige Runde wie beim jüngsten Impfgipfel noch Sinn macht, wenn so wenig konkrete Beschlüsse gefasst werden. So enttäuscht man die Menschen, obwohl sie doch Hoffnung brauchen.

Trotz Corona-Impfung: Rückgabe von Grundrechten verzögert sich weiter

Die Rückkehr der Geimpften zu ihren Grundrechten ist de facto verschoben. Das ist für Millionen, die schon ihre Spritzen haben, die größte Enttäuschung. Empfehlungen der Bundesregierung zu diesem Thema verspricht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für „nächste Woche“. Erst Ende Mai wird der Bundesrat dazu entscheiden.

Auch der digitale Impfpass, für die kontrollierbare Rückkehr in die Freiheit, verzögert sich. Der Pass wird erst im Juni fertig sein. Dabei ist schon lange absehbar, dass dieses Dokument oder die digitale App dringend gebraucht wird, um den Geimpften endlich die entzogenen Grundrechte zurückzugeben. Wie das in anderen Ländern längst prima funktioniert, können sich die Deutschen seit Wochen in den Abendnachrichten ansehen.

Jörg Quoos, Chefredakteur der Funke Zentralredaktion.
Jörg Quoos, Chefredakteur der Funke Zentralredaktion. © Dirk Bruniecki

Impf-Gipfel von Bund und Ländern: Enttäuschung auf allen Seiten

Auch die vielen Hausärzte und ihre Patientinnen und Patienten wurden bitter enttäuscht. Die komplizierte Priorisierung der Risikogruppen wird verlängert, und wertvoller Impfstoff bleibt ungenutzt liegen. Zehntausend Betriebsärzte, die in den Startlöchern bereit zum Impfen stehen, fragen sich, warum es keinen Fahrplan für sie gibt, damit auch in den Betrieben endlich geimpft werden kann.

Der legendäre Fußballkommentator Werner Hansch hat mal über einen grottenschlechten Kicker geätzt: „Nein, liebe Zuschauer, das ist keine Zeitlupe, der läuft wirklich so langsam.“ Ähnlich entsetzt waren Millionen lockdownmüde Bürger nach diesem Impfgipfel der Tippelschritte. Dabei hatte man sich endlich konkrete Entscheidungen und einen klaren Fahrplan für die nächsten Wochen erhofft.

Industrie, Ärzteverbände, Opposition, Städte, Gemeinden – alle sind fassungslos über den pandemischen Kriechgang und mahnen zu Recht schnellere und entschlossenere Schritte an. Lesen Sie auch: Corona: Kann ich mich in jedem Bundesland impfen lassen?

Schlechte Stimmung im Lockdown könnte durch konkrete Politik behoben werden

Besonders ärgerlich ist: Eigentlich erscheint mit den zunehmenden Impfstoff-Lieferungen von Biontech und Co. Licht am Ende des Tunnels. Konkrete Planungen mit klaren Wegmarken für die ersehnten Erleichterungen könnten die schlechte Stimmung nach einem halbjährigen Lockdown leicht drehen. Das würde auch der Wirtschaft und dem Gemüt helfen.

Zu viele Menschen warten schon zu lange darauf, dass die Pandemie-Bekämpfung Fahrt aufnimmt. Sie halten das Eingesperrtsein, die Bevormundung, die Vereinsamung der Kinder und den freudlosen Alltag kaum noch aus.

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Deutschland ist unvorbereitet in die Pandemie getaumelt – das hat sich nicht gebessert

Einmal mehr hat die Politik den Pandemie-Turbo versprochen und dann in den Schneckengang geschaltet. Das ist frustrierend und raubt die letzte Hoffnung auf einen unbeschwerten Sommer.

Das Land ist Anfang 2020 erschreckend unvorbereitet in diese historische Pandemie getaumelt. Es sieht leider ganz so aus, als ob auch der Weg aus der Krise quälend und langsam sein wird.