Es reicht nicht. Die Corona-Zahlen steigen massiv. Mehr und mehr einflussreiche Politiker fordern: Verschärft den Lockdown schnell!

  • Deutschland ist mitten in der dritten Corona-Welle
  • Die Rufe nach einem härteren Lockdown werden lauter - Angela Merkel droht den Bundesländern
  • Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und andere Politiker sprechen sich gegen einen Gipfel, aber für schärfere Regeln aus
  • Auch Innenminister Horst Seehofer will mehr bundesweite Regeln zur Pandemie-Bekämpfung

Berlin. Wie kann Deutschland die dritte Corona-Welle in den Griff bekommen? Während das Saarland nach Ostern als Modellregion zahlreiche Lockerungen erlauben will, machen andere Regionen von der Notbremse Gebrauch. Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen droht durchzugreifen, wenn die Länder nicht schneller härtere Maßnahmen umsetzen.

In der Talksendung "Anne Will" hatte Merkel erklärt, dass sie sich „nur wenige Tage“ die unterschiedlichen Vorgehensweisen der Länder ansehen würde: „Ich werde jedenfalls nicht zuschauen, dass wir Hunderttausende Infizierte haben.“ Als konkrete Maßnahmen nannte sie die Notbremse und Ausgangssperren. Die Notbremse sieht ab einer Inzidenz von 100 zahlreiche Auflagen wie eine Schließung der Geschäfte und die Beschränkung von privaten Treffen auf eine einzige Person eines weiteren Haushalts vor.

Corona: Seehofer will Bundestag und Bundesrat entscheiden lassen

Bundesinnenminister Horst Seehofer plädiert dafür, dass der Bund im Kampf gegen die Corona-Pandemie das Ruder übernimmt. Dafür könne entweder das Infektionsschutzgesetz präzisiert oder ein eigenes Gesetz beschlossen werden, in dem dann genau geregelt sei, „was bei welcher Inzidenz zu geschehen hat“. Der Bund habe „von jeher die Gesetzgebungskompetenz auf diesem Gebiet“, sagte der CSU-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“, „man muss nur Gebrauch davon machen.“

Die Corona-Bekämpfung über Bund-Länder-Konferenzen zu betreiben, halte er für falsch, sagte der Innenminister. Besser wäre es, die notwendigen Maßnahmen durch Bundestag und Bundesrat beschließen zu lassen. Corona-Tests seien eine wichtige Säule der Pandemie-Bekämpfung, wenn es um Öffnungsschritte gehe. Jetzt gehe es allerdings zunächst darum, in den kommenden zwei Wochen möglichst viel herunterzufahren.

Gibt es einen neuen Corona-Gipfel?

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat angesichts der schnell steigenden Inzidenzzahlen in Deutschland einen "letzten harten Lockdown" zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie gefordert. "Wir können es nicht so laufen lassen", sagte Lauterbach im Westdeutschen Rundfunk. Andernfalls würden die Inzidenzwerte in wenigen Wochen über 200 steigen.

Kritik übte der Gesundheitspolitiker und Epidemiologe an dem uneinheitlichen Vorgehen der Länder und den vielerorts zu beobachtenden Bemühungen, mit mehr Tests Lockerungen zu ermöglichen. "Die Wahrheit ist, wir müssen erst einmal wirklich Kontrolle in das Geschehen hineinbringen. Wir brauchen etwas, was das exponentielle Wachstum jetzt hemmt und das ist mit Lockerungen nicht zu machen." Zu glauben, Tests seien der Königsweg, mit dem man den Anstieg der Inzidenzzahlen in den Griff bekomme, sei ein Fehler. "Das lässt sich durch Testen nicht alleine wegbekommen."

Merkel fordert härteres Vorgehen in Corona-Pandemie

weitere Videos

    Der Corona-Berater der Bundesregierung sprach sich für einen raschen neuen Corona-Gipfel aus, der eine mindestens zweiwöchige bundesweite nächtliche Ausgangssperre beschließen müsse. Der nächste Corona-Gipfel ist bislang für den 12. April geplant.

    Lesen Sie hier: Tausende unterzeichnen Petition für harten Corona-Lockdown

    Söder und Bartsch gegen Vorziehen des Corona-Gipfels

    Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sieht das anders. "Es braucht nicht ständig neue Gespräche, sondern die konsequente Umsetzung der Notbremse", sagte er. Söder forderte, dass die Notbremse überall in Deutschland bei einer Inzidenz über 100 automatisch greifen müsse. Er sei dafür, dass der Bund mehr Kompetenzen bekomme und die Länder dann „zu klaren Regeln“ zwinge, sagte der bayerische Ministerpräsident am Sonntagabend in den „Tagesthemen". Söder rief die anderen Länder auf, bereits über Ostern konsequent nächtliche Ausgangssperren umzusetzen.

    Auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch rät totz deutlich steigender Corona-Infektionszahlen von einem Vorziehen der für den 12. April geplanten Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin ab. "Eine erneute MPK klingt für viele Menschen inzwischen wie eine Bedrohung", sagte Bartsch unserer Redaktion. Einige Ministerpräsidenten machten ohnehin, was sie wollten, und hielten sich nicht an Vereinbartes.

    Lesen Sie auch: Mallorca bietet Quarantäne-Hotels für deutsche Urlauber

    Bartsch mahnte Fortschritte beim Testen und Impfen an. "Noch immer fehlt es in Schulen, Kitas und Betrieben an ausreichend Tests," kritisierte er. Bei der Zulassung und Vorbestellung des russischen Impfstoffs Sputnik V oder beim Impfen durch Hausärzte werde "kostbare Zeit vertrödelt".

    Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hingegen stellte für Anfang der Woche weitere Gespräche zwischen Bund und Ländern über einen harten Lockdown in Aussicht, allerdings nicht unbedingt im MPK-Format. "Wir müssen das auch mit anderen Ländern vorbesprechen, mit dem Bundeskanzleramt. Wir sehen halt, die Zahlen rasen förmlich hoch", sagte Kretschmann am Samstagabend in Stuttgart.

    Corona: Erneuter harter Lockdown immer wahrscheinlicher

    Die Wahrscheinlichkeit eines baldigen harten Lockdowns wächst: Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich für härtere Maßnahmen ausgesprochen. "Wenn wir die Zahlen nehmen, auch die Entwicklungen heute, brauchen wir eigentlich noch mal zehn, 14 Tage mindestens richtiges Runterfahren unserer Kontakte, unserer Mobilität", sagte er am Samstag bei einer Online-Diskussionsveranstaltung der Bundesregierung, bei der Bürgerinnen und Bürger Fragen stellen konnten. Er appellierte an die Bevölkerung, "im Zweifel auch mehr als die staatlichen Regeln" umzusetzen.

    Wenn die dritte Welle gebrochen werden könnte, gebe es danach auch die Aussicht auf Öffnungsschritte in Regionen mit niedrigen Infektionszahlen, sagte Spahn. Dabei sollen auch mehr Tests und Impfungen helfen. Im April und Mai solle es mehr Impfungen geben als im gesamten ersten Quartal. Er rechne damit, dass Ende April/Anfang Mail in 80.000 bis 100.000 Arztpraxen Coronavirus-Impfungen verabreicht werden.

    Grüne fordern Bundesregierung zum Kurswechsel auf

    Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sieht das genauso. "Genau jetzt die Idee von Modellprojekten zu missbrauchen und großflächig zu öffnen, ohne echte Sicherheit bieten zu können, ist absolut unverantwortlich und ein gefährliches Spiel mit der Gesundheit vieler Menschen", sagte sie dieser Redaktion.

    Göring-Eckardt forderte die Bundesregierung zu einem generellen Kurswechsel in der Corona-Politik auf: „Die Bundesregierung muss einen neuen Wellenbrecher-Plan vorlegen, mit dem Kontakte und Infektionen reduziert werden und der dann am besten von Bundestag und Bundesrat beschlossen wird“, sagte die Fraktionschefin. „Das müssen Maßnahmen sein, die nicht nur rechtlich und praktisch umsetzbar sind, sondern sich endlich auch wieder an der wissenschaftlichen Realität orientieren.“ Strengere Maßnahmen seien eine Folge des „inkonsequenten Hin-und-Her“.

    Mediziner warnen vor hohen Infektionszahlen

    "Wir rennen sehenden Auges ins Verderben", warnte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Professor Gernot Marx. „Wir müssen von den hohen Zahlen runter! Jetzt. Augenblicklich.“ Er forderte zwei oder drei Wochen harten Lockdown. "Das wird zahlreiche Menschenleben retten und noch viel mehr vor lebenslangen Langzeitfolgen durch Covid bewahren."

    Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, erklärte, die dritte Welle bedrohe nun vor allem die über 70-Jährigen. "Während bei 80-Jährigen die Todesrate zurückgeht, steigt die Sterblichkeit bei den über 70-Jährigen deutlich. Die Impf-Angebote müssen sich deshalb zunächst auf diese 19 Millionen Senioren konzentrieren", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

    (raer/bef/afp/dpa)