Berlin. Die Pandemie-Bekämpfung in Deutschland geht leider nur schleppend voran. Der deutsche Hang zur Perfektion entpuppt sich als Hindernis.

Nur noch zwei Wochen bis Ostern und die Stimmung im Land sinkt von Tag zu Tag. Obwohl dank der Impfstoffe eigentlich Licht am Ende des langen Tunnels leuchten sollte, bleibt die Zeit im Lockdown bleiern.

Angesichts der steigenden Infektionen erscheinen die behutsamen Öffnungen von Geschäften wie eine herrliche Fata Morgana, die schon bald verblassen wird. Dazu kommt die unappetitliche Amigo-Affäre bei den Masken-Deals, die einfach nur wütend macht.

Auch die Hoffnung auf eine schnelle Durchimpfung ist gesunken, weil die Reputation des wichtigsten Impfstoffs durch hektisches Hin und Her bei der Risikobewertung endgültig beschädigt ist. Kurzum: Das ganze Land spürt längst, dass in die Pandemie-Bekämpfung dringend neuer Elan und frische Ideen hermüssen.

Zum Beispiel sollte endlich die bürokratisch ausgeklügelte Impfreihenfolge bei Astrazeneca ausgesetzt werden. Es darf keinen Tag länger eine Vorratshaltung der Vakzine geben. Denn Impfdosen, die in Schränken herumliegen, leisten keinen Beitrag gegen eine tödliche Pandemie, die mit Schnelligkeit bekämpft werden muss.

Hang zur Perfektion ein Hindernis für die Impfkampagne?

Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion
Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion © Dirk Bruniecki

Der frühere US-Präsident Donald Trump ist für seine ausgerufene Operation „Warp Speed“ belächelt worden. Aber Fakt ist: Viele Länder haben sich nicht nur entschlossen mehr Impfdosen gesichert, sondern sind auch beim Impfen deutlich schneller und unkomplizierter vorgegangen als die Corona-Manager hierzulande. Der deutsche Hang zur Perfektion entpuppt sich immer mehr als großes Hindernis. Das hat jetzt auch die Bundesregierung erkannt.

Es war total unverständlich, dass ein Großteil des verfügbaren Impfstoffs nicht schon längst in den Händen der Hausärzte ist. Niemand weiß besser als sie, wer den Impfstoff besonders dringend braucht. Der Hausarzt um die Ecke kennt seine Patienten und kann – ganz im Sinne von Hippokrates – genauso ethisch wie pragmatisch dafür sorgen, dass endlich schneller geimpft wird und die Richtigen zuerst versorgt werden. Lesen Sie hier: Hausärzte sollen nach Ostern mit Corona-Impfungen beginnen

Die von Bürokraten verfassten Regeln erkennen eben nicht, ob ein fitter 81-Jähriger (priorisiert) allein und sicher in einer großen Villa lebt oder ein 79-Jähriger (nicht priorisiert) mit Vorerkrankungen und großer Familie auf engstem Raum. So etwas weiß nur der Hausarzt und kann entsprechend reagieren.

Jetzt bekommen die Ärzte endlich den begehrten Stoff, wenn auch spät und in kleinen Mengen. Man hätte sich eine entschlossenere Kehrtwende in der Impf-Strategie gewünscht. Aber disruptive Entscheidungen sind von dieser Regierung offenbar nicht mehr zu erwarten.

Pandemie-Bekämpfung: Ein Rennen gegen die Zeit

Die im Lockdown gefangenen Bürger spüren längst, dass die Politik immer noch nicht begriffen hat, dass jeder Tag zählt. Jeden Tag infizieren sich unnötig viele Menschen. Jeden Tag sterben Menschen. Jeden Tag können sich Mutanten des Virus bilden und Resilienz gegen die Impfung entwickeln. Daher ist die Pandemie-Bekämpfung sprichwörtlich ein Rennen gegen die Zeit.

Die paar Dutzend Männer und Frauen, die jetzt in der größten Krise Nachkriegsdeutschlands Verantwortung tragen, sollten rund um die Uhr daher nur ein Ziel kennen: das Schützen der Gefährdeten, das Massentesten und das blitzschnelle Impfen möglichst aller Deutschen. Und wenn sie es nicht hinkriegen, sollten sie Profis hinzuziehen, die es können. Dass die Schnelltests zuerst bei Aldi und nicht in den Schulen waren, spricht leider Bände.

Es braucht also mehr Tempo. Und das heißt auch: Wenn es um Leben und Tod geht, darf in diesen entscheidenden Pandemie-Monaten einfach keine Zeit sein für endlos tagende Kommissionen, Wahlkampf-Mätzchen, Talkshow-Auftritte, „Candy Crush“ am Handy oder private Villenkäufe.