Berlin. Jeder, der will, soll das Astrazeneca-Vakzin bekommen können, schlagen Politiker vor. Dazu müsste der Impf-Stopp aufgehoben werden.

Es ist eine Empfehlung, auf die viele Staaten Europas mit Spannung blicken dürften: An diesem Donnerstag will die EU-Arzneimittelbehörde EMA bekanntgeben, wie sie Berichte über mögliche schwere Nebenwirkungen des Impfstoffs des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca bewertet und welche Schlussfolgerungen sie für die weitere Verwendung des Vakzins zieht.

Die Verabreichung des Mittels in Deutschland war am Montag wegen Berichten über schwere Vorfälle bei zuvor Geimpften vorsorglich ausgesetzt worden. Rund ein dutzend EU-Staaten verhängten einen solchen Impf-Stopp. Die EMA untersucht derzeit, ob es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Gesundheitsbeschwerden und der vorangegangenen Impfung mit dem Astrazeneca-Wirkstoff gibt.

Astrazeneca-Aussetzung der Impfungen verzögert Hausarzt-Impfungen

In mehreren Ländern hatte es Meldungen über Blutgerinnseln im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung mit dem Astrazeneca-Präparat gegeben. Laut Bundesgesundheitsministerium gibt es in Deutschland bisher acht Fälle von Thrombosen, drei der Erkrankten sind nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) verstorben. Der Astrazeneca-Wirkstoff wurde hierzulande rund 1,6 Millionen Mal gespritzt.

Für die ohnehin schleppend vorankommenden Corona-Impfungen in Deutschland bedeutet die derzeitige Aussetzung eine zusätzliche Verzögerung. Zehntausende Termine in den Impfzentren mussten abgesagt werden. Zudem ist weiterhin offen, ab wann sich die Hausärzte an den Immunisierungen beteiligen können. Zunächst war von Anfang nächsten Monats die Rede, dann von der zweiten Aprilhälfte.

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Impfgipfel am Freitag soll Klarheit schaffen

Auf einem Impfgipfel - voraussichtlich an diesem Freitag – wollen Bund und Länder nun das weitere Vorgehen beraten. Entscheidend wird dabei die Stellungnahme der EMA sein. Die Behörde machte am Dienstag deutlich, dass sie den Nutzen des Astrazeneca-Impfstoffs bis zum Abschluss der laufenden Untersuchungen für größer hält als die Gefahren.

Es ist also eine Frage der Abwägung. Etliche Länder haben ihre Impfungen mit dem Wirkstoff fortgesetzt mit dem Argument, erst die aktuelle Empfehlungen der EMA abwarten zu wollen. Auch in Deutschland gab es zuletzt Politiker und Fachleute, die den vorübergehenden Impf-Stopp hierzulande kritisieren. Angesichts einer vergleichsweise geringen Zahl von Vorfällen werten sie dies als übereilten Schritt.

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Beobachter halten es für unwahrscheinlich, dass die EMA die Zulassung für den Astrazeneca-Impfstoff zurücknimmt. Am Mittwoch empfahl schon die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis auf Weiteres die Fortsetzung der Impfungen mit dem Vakzin. Auch die Politik scheint sich darauf einzustellen, dass der Wirkstoff in Deutschland wieder zur Anwendung kommt. Doch dann – so die Meinung vieler – müsse sich etwas ändern.

Astrazeneca-Vakzin: CSU fordert flexiblere Vergabe

CSU-Generalsekretär Markus Blume forderte, bei einer Entwarnung für Astrazeneca von Seiten der EMA sollte es mehr Flexibilität beim Impfen geben. Wenn es eine Gruppe von Menschen gebe, die bereit sei, sich diesen Impfstoff impfen zu lassen, sollte man sie nicht ausbremsen, sondern mit den Hausärzten dafür sorgen, diesen Impfstoff so schnell wie möglich an die Bevölkerung zu bringen, sagte Blume.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte am Tag davor ebenfalls gefordert, den Impfstoff nach einer Prüfung und Wiederzulassung jedem Impfwilligen zugänglich zu machen. Er sei dafür, dass Astrazeneca im Falle einer Wiederzulassung allen Menschen frei gegeben werde.

Hirnvenenthrombose sorgt für Impf-Stopp mit Astrazeneca

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    Söder sagte, es mache keinen Sinn mehr, „endlos lange Prioritätenlisten anzufertigen“. Der CSU-Chef geht davon aus, dass Astrazenenca bald wieder eingesetzt werde. „Ich kenne so viele Menschen, die sich sofort mit Astrazeneca impfen lassen würden. Ich würde mich auch sofort hinstellen.“

    Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), sagte, wenn mehr Impfstoff da sei und die Fragen bei Astrazeneca beantwortet seien, müsse man auch in Arztpraxen impfen und dort die Impfpriorisierung lockern. „Wir bleiben bei bestimmten Prinzipien, aber wir sollten sie etwas lockerer, flexibler und mutiger anwenden.“

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    Corona-Impfung mit Astrazeneca für Freiwillige?

    Bereits kurz nach der Entscheidung von Montag zur Aussetzung des Vakzins wurden auch Überlegungen debattiert, ob sich Freiwillige nicht dennoch weiterhin mit Astrazeneca impfen lassen können. Nach Angaben der Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist es theoretisch zwar denkbar, dass Ärzte den Wirkstoff aus ihrer medizinischer Sicht heraus trotz des aktuellen Impf-Stopps spritzen.

    Allerdings dürften die meisten Mediziner davon Abstand nehmen. Gründe seien vor allem ungeklärte Fragen der Haftung. Denn letztlich wäre es die Verabreichung eines vorübergehend nicht zugelassenen Medikaments. Im Alltag hat diese Frage derzeit ohnehin wenig Bedeutung: In Impfzentren ist die Verabreichung von Astrazeneca gestoppt und für Hausarztpraxen stehen aktuell zu wenig Dosen bereit.

    Kritik von der Opposition: Impf-Stopp führt zu Vertrauensverlust

    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gerät im Zusammenhang mit dem Impf-Stopp zunehmend in die Kritik. Das Aussetzen der Corona-Impfungen mit Astrazeneca habe das Vertrauen in die Impfpolitik untergraben, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt unserer Redaktion.

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    FDP-Vize Wolfgang Kubicki forderte die Entlassung Spahns. „Es sind zwar nur noch wenige Monate bis zur Wahl, aber eine Auswechslung Spahns als Gesundheitsminister würde helfen, neues Vertrauen in der Bevölkerung in den Staat zu schaffen“, sagte Kubicki. Davor hatte auch der nordrhein-westfälische SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Kutschaty auf eine Entlassung Spahns gedrängt.

    Das Präsidiumsmitglied der Intensivmediziner-Vereinigung DIVI, Uwe Janssens, verteidigte am Mittwoch dagegen die Entscheidung des Ministers, Impfungen mit dem Präparat von Astrazeneca vorläufig zu stoppen. „Herr Spahn kann doch gar nicht anders entscheiden, wenn die Expertinnen und Experten vom Paul-Ehrlich-Institut ihm so eine Botschaft auf den Tisch legen“, sagte Janssens.