Berlin. „Wir bleiben zu Hause“ gilt für alle in der Pandemie – Jens Spahn wird dem Motto einmal nicht gerecht. Kann er noch ein Vorbild sein?

  • Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat in der Corona-Pandemie immer wieder aufgefordert, sich an die Regeln zu halten
  • Allerdings scheint er sich selbst nicht immer an die eigenen Mahnungen zu halten
  • Ein Abendessen mit einigen Partei-Spendern im Oktober 2020 sorgt nun für scharfe Kritik an Spahn

Jens Spahn kennt das Risiko. Oft genug hat er davor gewarnt. An diesem Abend in Leipzig tut der CDU-Politiker Spahn, wovor der Gesundheitsminister Spahn abrät: Er pflegt unnötige Kontakte. Er folgt der Einladung zu einem Abendessen mit einem Dutzend Gästen, vorwiegend Geschäftsleuten.

Es ist der 20. Oktober 2020, ein Dienstag. Die Inzidenz liegt bundesweit knapp unter der kritischen 50er Marke, in der sächsischen Großstadt beträgt sie nur 17,6.

Ein „privates, nicht öffentliches Abendessen“

Arglos sitzt der Minister anderntags am Kabinettstisch. Auf Bildern ist er mit Mund-Nasen-Schutz zu sehen. Eine Erkältung ist im Anzug, vorsorglich lässt er sich auf Corona testen. Am Nachmittag dann das Ergebnis: Spahn hat sich infiziert und muss sich in die häusliche Isolation begeben, alle Kontaktpersonen informieren und dem Gesundheitsamt melden. Auch die Leipziger Dinnergäste.

Erstaunlich lange, vier Monate, bleibt der Termin vertraulich. Die Öffentlichkeit erfährt nichts – bis der „Spiegel“ jetzt darüber berichtet. Spahn Büro bestätigt das „private, nicht öffentliche Abendessen“; dass es in der Wohnung eines Bekannten des Ministers stattgefunden habe und der Gastgeber auf die Einhaltung aller Corona-Schutzregeln geachtet hatte. Alle hätten Abstand gehalten und Maske getragen, bis sie auf ihren Plätzen gesessen hätten.

Spahn steht massiv in der Kritik

Nach Informationen des Nachrichtensenders ntv handelte es sich um ein Sponsoren-Event für die CDU in der Privatwohnung des früheren Regierungssprechers von Sachsen und Thüringen, Peter Zimmermann. Laut ntv sollen die anderen Gäste 10.000 Euro für die Teilnahme gezahlt haben.

Unklar bleibt, ob sich noch jemand anderes infiziert hat. Der „Spiegel“ schreibt, einige Teilnehmer sollen für die CDU gespendet haben. Spahn soll über die Corona-Politik referiert und dabei „brilliert“ haben.

Gleichwohl wird die Geschichte für den Politiker zur Unzeit ausgegraben: Spahn, zu Beginn der Pandemie einer der angesehensten Politiker, ist seit Wochen in die Kritik, mal wegen des Holperstarts der Impfaktion, mal weil er eine Ankündigung von Schnelltests nicht halten konnte.

Erst warnt er vor Geselligsein, dann fährt er zum Dinner

Formal hat sich Spahn nichts zuschulden kommen lassen. Die Corona-Regeln in Sachsen erlaubten zu diesem Zeitpunkt noch private Zusammenkünfte mit unbegrenzter Teilnehmerzahl. Allerdings stiegen die Infektionszahlen zu diesem Zeitpunkt bereits, der Beginn einer zweiten Welle zeichnete sich ab.

Denn: Wasser predigen, Wein trinken, Anspruch und Wirklichkeit – das scheint Spahns wunder Punkt zu sein. Instinktlos sei die Reise allemal, in einer Zeit, als die zweite Welle anrollte, tadelt der „Spiegel“. Gerade ein Gesundheitsminister habe in der Pandemie eine Vorbildfunktion.

Genüsslich zitiert das Magazin die Mahnungen, die Spahn noch am Morgen des 20. Oktober im ZDF für die Bürger parat hielt: „Wir wissen vor allem, wo es die Hauptansteckungspunkte gibt. Nämlich beim Feiern, beim Geselligsein, zu Hause privat oder eben in der Veranstaltung, auf der Party im Klub.“

Nur Stunden später macht er sich auf den Weg nach Leipzig. Die Regierungskampagne „wir bleiben zu Hause“ – eine Empfehlung auf nicht nötige Reisen zu verzichten – verhallt beim Gesundheitsminister.