Berlin/Köln. Der Kölner Kardinal hält ein Gutachten zum Missbrauch in der Kirche zurück. Der Missbrauchsbeauftragte zeigt sich “erschüttert“.

Die Kölner Krise rund um die Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs eskaliert weiter. Nun erklärte der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, er sei „erschüttert“ über das Verhalten des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki.

Seit Monaten steht der Kardinal Woelki in der Kritik, weil er ein Gutachten, das er einst selbst in Auftrag gab, unter Verschluss hält. Dieses Gutachten untersucht, wie Verantwortungsträger des Erzbistums in der Vergangenheit reagiert haben, wenn Priester des sexuellen Missbrauchs von Kindern beschuldigt wurden.

Das Gutachten der renommierten Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl ist fertig, doch Woelki verhindert eine Veröffentlichung – und begründet das mit rechtlichen Bedenken. Lesen Sie auch: Katholische Kirche: Bis zu 50.000 Euro für Missbrauchsopfer

Missbrauchsbeauftragter: Woelki zerstört Vertrauen

Der Missbrauchsbeauftragte findet dafür klare Worte: „Dieses Verhalten diskreditiert den Aufarbeitungsprozess in der katholischen Kirche insgesamt und zerstört Vertrauen, das eigentlich zurückgewonnen werden müsste“, so Rörig in einem Gespräch mit dem „Spiegel“. All die, die zur Vertuschung von sexualisierter Gewalt in der Kirche beigetragen hätten, „müssen benannt werden, auch was sie getan haben“, erklärt der Missbrauchsbeauftragte. „Das ist der einzige Weg für die Kirche, Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückzuerlangen.“

Johannes-Wilhelm Rörig, Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung, übt harte Kritik an Kardinal Woelki.
Johannes-Wilhelm Rörig, Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung, übt harte Kritik an Kardinal Woelki. © Getty Images | Sean Gallup

Die Vertrauenskrise im Erzbistum Köln hatte sich zuletzt weiter zugespitzt. Am Freitag hatte sich der Diözesanrat, das Gremium der Laienvertreter, offen gegen Woelki gestellt. „Es ist schier unglaublich, wie sich die Leitung des Erzbistums verhält“, kritisierte Tim Kurzbach, der Vorsitzende des Diözesanrats und Oberbürgermeister von Solingen (SPD). „Wir befinden uns in der größten Kirchenkrise, die wir alle je erlebt haben. Der Erzbischof von Köln hat als moralische Instanz versagt und zeigt bis heute keine Haltung.“

Vertrauensbruch im Kölner Bistum sitzt tief

Als Konsequenz setzte der Diözesanrat seine Mitarbeit am sogenannten Pastoralen Zukunftsweg aus, einem von Woelki initiierten Programm zur Neuorganisation der Gemeinden im Erzbistum. Zudem forderten die Laienvertreter die „sofortige Übernahme von persönlicher Verantwortung“.

Der Widerstand gegen den Kardinal im 1700 Jahre alten Kölner Bistum ist umfassend. „Wir haben annähernd aus jedem Stadt- und Kreisdekanat, aus jedem Verband, aus Dutzenden von Pfarrgemeinden, von über 50 Priestern schriftlich, wie tief der Vertrauensbruch geht“, schildert Kurzbach. Das habe es so noch nie gegeben. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (Zdk) erklärte sich am Freitag solidarisch mit der Stellungnahme des Diözesanrats.

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Kritik an Woelki nicht nur wegen Missbrauchs-Gutachten

Woelki hat das Vertrauen wahrscheinlich nicht nur durch die Zurückhaltung des Gutachtens verspielt. Seit Längerem macht seine Führung des Bistums Negativ-Schlagzeilen in Serie. Der Katholischen Hochschulgemeinde in Köln wurde die Website abgeschaltet, nachdem sie ein kritisches Papier veröffentlicht hatte. Einem Pfarrer, der Woelki scharf kritisiert hatte, drohte das Erzbistum mit Konsequenzen.

Woelkis Weihbischof Ansgar Puff verglich die kritische Berichterstattung über Bischöfe mit den Fake News von Donald Trump und bemühte noch ein Goebbels-Zitat – als dies Empörung auslöste, entschuldigte er sich. Derzeit sind beim Amtsgericht Köln alle Termine für Kirchenaustritte ausgebucht. (fmg/dpa)

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