Berlin. Der Lockdown wirkt, die Corona-Inzidenz hat die 100er-Marke erstmals seit Monaten unterschritten. Doch die Politik bleibt vorsichtig.

Die Deutschen haben ihre Kontakte reduziert. Nach wochenlangem Lockdown sinkt die Zahl der Corona-Neuinfektionen. Erstmals seit Ende Oktober lag die sogenannte 7-Tage-Inzidenz laut Zahlen des Robert Koch-Instituts am 28. Januar unter der Schwelle von 100. Bund und Länder entwerfen Pläne für Lockerungen.

„Wir müssen uns Gedanken machen, wie es in den kommenden Wochen für unsere Kitas, unsere Schulen, für den Sport, den Einzelhandel und die Gastronomie weitergehen soll“, fordert der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU). Kitas und Grundschulen setzt auch der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, an die erste Stelle.

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Mehrzahl der Bundesländer unter Inzidenzwert 100

In Deutschland wurden binnen einer Woche 98 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner an die Gesundheitsämter übermittelt, wie das RKI am 28. Januar meldete. Damit hat sich die Zahl der innerhalb von sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen seit dem Höchststand kurz vor Weihnachten - die 7-Tage-Inzidenz lag am 22. Dezember bei 197,6 - in etwa halbiert.

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„Wir sind auf einem guten Weg, die Maßnahmen wirken“, sagte Kanzlerin Angela Merkel vor der Unionsfraktion. Aber das Ziel ist eine Inzidenz unter 50. Merkel ist auf der Hut, schon wegen der hoch ansteckenden Virusmutationen.

Nach innen lockern, nach außen dichtmachen?

Ein Schlüsselfaktor sind die Einschränkungen der Einreisen nach Deutschland: Registrierung, Quarantäne, Testpflicht. Im Kabinett drängte Innenminister Horst Seehofer (CSU) auf eine Reduzierung des Flugverkehrs. Nun will er sich auf einer Konferenz mit den EU-Innenministern auf eine einheitliche Regelung verständigen.

Was man mit Flügen aus Hochrisikogebieten mache, sei „im Augenblick unheimlich wichtig“, meint Uwe Janssens vom Intensivmedizinerverband. Er kritisierte, dass Schulen geschlossen werden, aber Flugzeuge aus Südafrika oder Brasilien weiter landen können.

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Jetzt schon über Lockerungen zu diskutieren, wäre „das falsche Signal", warnt Saar-Regierungschef Hans. Solange das Ziel einer Inzidenz von weniger als 50 nicht erreicht sei, müssten „die strengen Maßnahmen aufrechterhalten“ werden.

Eine Punktlandung würde seinem schleswig-holsteinischen Amtskollegen Daniel Günther (CDU) nicht genügen. Der Trend muss beständig sein. Günther schwebt ein Vorlauf von bis zu 21 Tagen vor. Bleibt die Inzidenz so lange unter 50, würde man in seinem Land sogar wieder den Betrieb von Hotels zulassen – abgesichert mit dem Einsatz von Schnelltests.

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Vorrang für Schulen und Kitas

Die Schulen sollen offen sein, aber auch sicher: Um den Anspruch einzulösen, wollen mehrere Länder auf Schnelltests setzen. Indes genügte am Mittwoch ein Virusausbruch, um alle Pläne zu stoppen.

Weil in einer Freiburger Kita bei zwei Kindern das mutierte Virus festgestellt wurde, sagten Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) eine Pressekonferenz ab, auf der sie den Wiederbetrieb der Kitas und Grundschulen ankündigen wollten.

Linken-Vorsitzende Katja Kipping fordert, es solle sichergestellt werden, „dass Schulen nicht zu Corona-Hotspots werden und damit die nächste Infektionswelle lostreten“. Kipping sagte: „Schnelltests und Luftfilter können dabei eine große Hilfe sein.“

Schon im Herbst hatte ein Team um die Virologin Sandra Ciesek von der Frankfurter Goethe-Universität die Wirkung von Schnelltests an Schulen untersucht. Mehr als 700 Lehrer führten damals über sieben Wochen hinweg alle 48 Stunden selbst Tests durch. Fünf Infektionen wurden so gefunden. In kurzen Abständen selbst durchgeführte Schnelltests, folgerte das Forschungsteam, könnten dazu beitragen, Schulen in der Pandemie sicherer zu machen.

Friseure wollen wieder öffnen

„Nicht ganz einfach“ werde es, zu definieren, wer nach den Kitas und Schulen kommt, ahnt Merkel, „aus praktischen Gründen müsste man dann bald die Friseure rannehmen“. Das Friseurhandwerk will sie beim Wort nehmen. „In der nächsten Stufe sollten die Friseure wieder öffnen können“, sagte Verbandspräsident Harald Esser.

Um die Sicherheit in den Friseursalons zu erhöhen, forderte der Verband, dass Kunden und Mitarbeiter verpflichtet werden sollen, medizinische Masken zu tragen.

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Der Handel wird ungeduldig

Auch der Handel will „Licht am Ende des Tunnels“ sehen, wie der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, erklärte. „Wir benötigen konkrete Rahmenbedingungen für eine mögliche Wiedereröffnung des Einzelhandels“, sagte er. Es müsse klar sein, „bei welchen Pandemiezahlen welche Maßnahmen wieder gelockert werden können“. Es sollte zumindest abgestufte Öffnungsmaßnahmen für den Handel geben.

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